Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
zu stellen, und der Herzog wird keinen Finger rühren, um sie zu retten. Er wird keinen Finger rühren, um seine Stiefmutter zu retten, er wird keinen Finger rühren, um seine kleine Nichte zu retten; und Gott weiß, dass er keinen Finger rühren wird, um mich zu retten.
Sollte ich wieder überleben, sollten sie mich verschonen, dann werde ich einen Weg finden, ihn des Hochverrats zu bezichtigen. Dann werde ich zuschauen, wie er in einen Kerker gesperrt wird, wie er Tag um Tag in Furcht und Schrecken leben muss, weil das Schafott unter seinem Fenster zusammengezimmert wird, wie er auf den Wächter des Towers wartet, der ihm sagt, dass morgen der Tag ist, dass er morgen sterben wird. Sollte ich überleben, dann wird er bezahlen für das, was er zu mir gesagt hat, wie er mich nannte. Er wird in dieser Zelle leiden, so wie ich jetzt leide.
Wenn ich denke, dass ausgerechnet mir dies alles widerfährt, könnte ich vor Angst verrückt werden. Mein einziger Trost, meine einzige Rettung liegt darin, tatsächlich den Verstand zu verlieren, denn dann dürfen sie mich nicht richten. Eine Wahnsinnige darf nicht geköpft werden. Ich könnte lachen, wenn ich nicht Angst hätte vor dem Echo meines Lachens in diesen kalten Mauern. Ein Wahnsinniger darf nicht geköpft werden, und so werde ich am Ende, so schlimm es auch werden mag, dem Richtblock entgehen, auf dem Katherine ihr Leben lassen wird. Ich werde vorgeben, verrückt zu sein, und man wird mich mit einem Irrenwärter nach Blickling Hall schicken, wo ich langsam wieder zu Verstand kommen werde.
An manchen Tagen deliriere ich ein wenig, damit sie sehen können, dass ich eine Neigung zum Wahnsinn habe. An manchen Tagen rufe ich, dass es regnet, und sie finden mich schluchzend am Fenster, wo ich die feucht glänzenden Schieferplatten des Daches betrachte. In manchen Nächten rufe ich, dass mir der Mond schöne Träume zuflüstert. Um die Wahrheit zu sagen, ich mache mir selbst Angst. An manchen Tagen, an denen ich nicht verrückt spiele, glaube ich, es tatsächlich zu sein, vielleicht sogar seit meiner Jugend. Denn es war verrückt, George zu heiraten, der mich nie geliebt hat, verrückt, ihn so leidenschaftlich zu lieben und zu hassen, verrückt, gegen ihn auszusagen, und am verrücktesten, ihn so sehr zu lieben, dass ich ihn dem Henker überantworten konnte ...
Halt, ich muss damit aufhören! Ich darf jetzt nicht daran denken, ich darf dieses Bild jetzt nicht betrachten. Ich muss die Verrückte spielen. Ich darf mich nicht verrückt machen. Ich muss so tun als ob, ich darf es nicht wirklich fühlen. Ich muss mir immer ins Gedächtnis rufen, dass ich alles tat, was ich tun konnte, um George zu retten. Was die anderen auch sagen mögen, es wäre eine Lüge. Ich war ein gutes und treues Weib, das versuchte, seinen Mann und seine Schwägerin zu retten. Und ich habe auch versucht, Katherine zu retten. Man kann mir nicht die Schuld geben, wenn alle drei schlecht waren. Im Grunde sollte man mich bemitleiden, weil ich in meinem Leben so viel Unglück gehabt habe.
A NNA , R ICHMOND , F EBRUAR 1542
Ich sitze auf einem Stuhl in meinem Gemach, die Hände im Schoß verschränkt. Vor mir stehen drei Lords aus dem Kronrat und machen ernste Gesichter. Sie haben nach Dr. Harst schicken lassen, deshalb wird nun wohl der Zeitpunkt eines Urteils gekommen sein, nachdem sie wochenlang mein gesamtes Gesinde verhört, meine Haushaltsrechnungen geprüft und sogar die Stallburschen ausgefragt haben, wohin ich ausreite und wer mich begleitet.
Natürlich wollten sie im Grunde wissen, ob ich konspirative Versammlungen abhalte. Ob sie glauben, dass ich Intrigen mit dem Kaiser, mit Spanien, mit Frankreich oder gar mit dem Papst schmiede, kann ich nicht wissen. Sie mögen mich im Verdacht haben, eine Liebschaft zu unterhalten, die Anklage könnte aber ebenso gut auf Gründung eines Hexenzirkels lauten. Sie haben nun meinen gesamten Haushalt befragt, wohin ich gereist bin und wer mich regelmäßig besucht. Ihre Fragen zielen hauptsächlich auf die Gesellschaft ab, in der ich mich bewege, aber welchen Verdacht sie hegen, kann ich nicht wissen.
Da ich weder einer Verschwörung noch einer illegitimen Beziehung noch der Hexerei schuldig bin, sollte ich fähig sein, jegliche Anwürfe mit hoch erhobenem Kopf zu beantworten und auf mein reines Gewissen zu pochen ... Aber sogar einem blutjungen Mädchen wird der Prozess gemacht, und in diesem Land sind unzählige unschuldige Menschen verbrannt worden,
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