Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
größtes Vergnügen ist, aber sie verschwendet keinerlei Gedanken an die Zukunft. Sie kann so wenig planen wie ein Schoßhündchen.«
»Warum nicht?« Für einen Moment ist er abgelenkt.
»Sie denkt nicht an die Zukunft, die denkt nie über den nächsten Maskenball hinaus. Sie wird alle möglichen Kniffe anwenden, um Zuckerwerk zu bekommen, aber es übersteigt ihr Vorstellungsvermögen, dass sie sich auf die Jagd begeben könnte, um die größte Beute zu ergattern.«
»Interessant.« Grinsend entblößt er seine gelben Zähne. »Ihr erzählt immer so interessante Dinge, Jane Boleyn. Und nun zum König und zur Königin. Jede zweite Nacht geleite ich ihn in ihre Gemächer. Wisst Ihr, ob er den Akt überhaupt schon vollzogen hat?«
»Wir alle sind sicher, dass dem nicht so ist«, sage ich. Dann senke ich die Stimme, obwohl ich weiß, dass diese Gemächer sicher sind. »Ich glaube, er ist unfähig.«
»Warum glaubt Ihr das?«
Ich hebe die Schultern. »So war es doch in den letzten Monaten mit Anne. Wir alle wissen es.«
Er lacht kurz auf. »Ja, jetzt wissen wir es.«
Es war George, mein George, der während seines Prozesses der Welt verriet, dass der König impotent sei. Es war typisch für George, dann, als er nichts mehr zu verlieren hatte, das Unsagbare zu verkünden, das Einzige, das er hätte geheim halten sollen.
Der Herzog schweigt einen Moment. »Zeigt er ihr, dass er unzufrieden ist? Weiß sie, dass sie ihn nicht erregt?«
»Er ist zwar höflich, aber kalt. Es kommt einem vor, als ob er nicht einmal mit Freude an sie denken könnte. Als ob es nichts mehr gäbe, das ihn erfreuen könnte.«
»Glaubt Ihr, er vermöchte es mit einer anderen zu tun?«
»Er ist alt«, beginne ich, doch ein rascher zorniger Blick des alten Herzogs belehrt mich, dass auch er kein Frischling mehr ist. »Das sollte natürlich kein Hinderungsgrund sein. Aber die Schmerzen in seinem Bein machen ihn rasend, und ich glaube, es ist in letzter Zeit schlimmer geworden. Auf jeden Fall riecht es mehr, und er humpelt auch sehr stark.«
»Das weiß ich.«
»Und er ist hartleibig.«
Der Herzog zieht eine Grimasse. »Auch das wissen wir alle.« Die letzte Regung der königlichen Eingeweide ist von höchster Wichtigkeit für die Höflinge: Denn wenn der König verstopft ist, hat er noch schlechtere Laune.
»Und sie gibt sich keine Mühe, ihn zu erregen.«
»Entmutigt sie ihn?«
»Das nun nicht, aber ich nehme an, dass sie nichts tut, um ihm zu helfen.«
»Ist sie verrückt? Wenn sie verheiratet bleiben will, hängt alles davon ab, dass sie ihm einen Sohn gebiert.«
Ich zögere. »Ich bin überzeugt, dass man sie davor gewarnt hat, in irgendeiner Weise leichtlebig oder lüstern zu erscheinen.« Ich spüre ein leises Kichern tief in meiner Kehle. »Ihre Mutter und ihr Bruder sind wohl sehr streng, also hat sie eine entsprechende Erziehung genossen. Ihr größtes Anliegen scheint zu sein, dem König keinerlei Anlass zu geben, sie für liebessüchtig oder heißblütig zu halten.«
Der Herzog stößt ein krächzendes Lachen aus. »Was haben sie sich nur dabei gedacht? Wie kann man dem König eine Frau schicken, die so kalt ist wie Eis, und erwarten, dass er dafür auch noch dankbar ist?« Er beruhigt sich wieder. »Ihr nehmt also an, dass sie immer noch Jungfrau ist? Dass er nichts ausrichten konnte?«
»Ja Sir, das glaube ich.«
»Das versetzt sie wohl in Sorge, nehme ich an?«
Ich nippe an meinem Glas. »Soweit ich weiß, hat sie niemanden ins Vertrauen gezogen. Natürlich könnte sie mit ihren Gefährtinnen aus Kleve in ihrer Sprache sprechen, aber sie wirken nicht sonderlich vertraut, es gibt kein Getuschel in stillen Winkeln. Vielleicht schämt sie sich. Vielleicht ist sie ja diskret. Ich glaube, sie behandelt das Unvermögen des Königs als ein Geheimnis, das nur sie beide angeht.«
»Lobenswert«, sagt er trocken. »Ungewöhnlich bei einer Frau. Glaubt Ihr, dass sie sich Euch anvertrauen würde?«
»Vielleicht. Was soll sie denn Eurem Wunsche nach sagen?«
Er überlegt. »Die Allianz mit Kleve zählt bald nicht mehr so viel«, beginnt er. »Die Freundschaft zwischen Frankreich und Spanien ist im Schwinden begriffen und könnte - wer weiß? - bereits in diesem Moment vollkommen erloschen sein. Wenn diese beiden Mächte nicht mehr verbündet sind, brauchen wir die Freundschaft der deutschen Lutheraner nicht mehr.« Wieder denkt er nach. »Auf Befehl des Königs werde ich selbst an den französischen Hof reisen, um zu
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