Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
der Königin, während sie vor ihrem versilberten Spiegel sitzt. Sie schaut ihr Spiegelbild an, aber ihre Augen starren durch das Glas hindurch, sie sieht sich überhaupt nicht. Man stelle sich das vor! Besitzt einen so wunderschönen Spiegel und schaut sich nicht darin an! Ich habe fast ein ganzes Leben mit dem Versuch verbracht, mich in Silbertabletts und Glasscherben zu spiegeln, ja, ich habe mich sogar gefährlich weit über den Brunnenrand gelehnt, um im Brunnen von Horsham einen Blick auf mein Spiegelbild zu erhaschen - und sie sitzt hier vor einem meisterhaft gefertigten Spiegel und sieht sich nicht einmal an. Sie ist wirklich eigenartig. Während ich sie bürste, bewundere ich den Schwung meines Ärmels, und ich beuge mich ein wenig herab, um mein Gesicht zu sehen, neige meinen Kopf zur Seite und beobachte, wie das Licht auf meiner Wange spielt, dann neige ich den Kopf zur anderen Seite. Ich probiere ein leises Lächeln aus, dann hebe ich die Augenbrauen, als wäre ich erstaunt.
    Da treffen sich unsere Augen im Spiegel. Sie hat mich beobachtet. Ich kichere verlegen und sie lächelt wohlwollend. »Du bist ein hübsches Mädchen, Katherine Howard.«
    Ich blinzele unseren Spiegelbildern zu. »Danke schön.«
    »Ich nicht«, sagt sie schlicht.
    Dass sie unsere Sprache nicht richtig sprechen kann, führt oft dazu, dass sie so schrecklich traurige Dinge sagt, zu denen einem keine Antwort einfällt. Natürlich ist sie nicht so hübsch wie ich, aber sie hat schönes Haar, ein angenehmes Gesicht, reine, klare Haut und wirklich schöne Augen. Und sie sollte auch bedenken, dass fast keine junge Frau am Hof so hübsch ist wie ich, also braucht sie sich deswegen keine Vorwürfe zu machen.
    Sie besitzt überhaupt keine Grazie, aber das liegt auch daran, weil sie so steif ist. Sie kann nicht tanzen, sie kann nicht singen, sie kann nicht charmant plaudern. Wir bringen ihr Kartenspiele und alles Nötige bei, Tanzen und Musik und Singen, alles, was sie überhaupt nicht kennt - aber solange sie es noch lernen muss, ist sie erschreckend langweilig. Und an diesem Hof zählt langweilige Gutmütigkeit nicht viel. Eigentlich gar nichts.
    »Schönes Haar«, lobe ich, um etwas Nettes zu sagen.
    Sie zeigt auf ihre Haube auf dem Tisch, dieses grässliche, schwere Ding. »Nicht gut«, sagt sie.
    »Nein«, stimme ich ihr zu. »Sehr schlecht. Wollen meine probieren?« Es ist wirklich komisch: Wenn man mit ihr spricht, fängt man irgendwann an, genauso zu reden wie sie. Abends, wenn wir längst schlafen sollen, mache ich mir einen Spaß daraus, zu den anderen Mädchen so zu sprechen. »Ihr nun schlafen«, sage ich in die Dunkelheit, und wir kreischen vor Lachen.
    Sie freut sich über das Angebot. »Deine Haube? Ja.«
    Ich nehme die Nadeln heraus und setze sie ab. Ich werfe einen verstohlenen Blick in den Spiegel, um zu sehen, wie mein Haar herabfällt. Das erinnert mich an meinen liebsten Francis Dereham, der mir so gern die Haube abnahm und sein Gesicht in meinem Haar badete. Und jetzt, da ich mich zum ersten Mal in meinem Leben in einem guten Spiegel betrachten kann, begreife ich, warum er mich so begehrenswert fand. Im Grunde kann ich auch den König nicht tadeln, wie er mich anschaut, ebenso wenig wie John Beresby oder den neuen Pagen von Lord Seymour. Auch Thomas Culpepper konnte gestern Abend nicht die Augen von mir lassen. Wahrhaftig, ich sehe außerordentlich gut aus, seit ich bei Hofe bin, und scheine mit jedem Tag hübscher zu werden.
    Ich reiche ihr meine Haube und trete hinter sie, um ihr beim Aufsetzen das Haar zurückzustreichen.
    Es ist eine gewaltige Verbesserung, das kann selbst sie erkennen. Ohne das schwere viereckige Gestell der deutschen Haube, diesem Kasten, sieht ihr Gesicht gleich viel runder und hübscher aus.
    Doch dann zieht sie meine Haube nach vorn, bis sie fast auf den Augenbrauen sitzt. Neulich beim Turnier hat sie ihre neue französische Haube auch so getragen. Das sieht lächerlich aus. Ich gebe ein irritiertes »Pfui!« von mir und schiebe die Haube wieder nach hinten. Dann ziehe ich ein paar Locken nach vorn, um ihr zu zeigen, was für helles, glänzendes Haar sie hat.
    Doch sie schüttelt nur bedauernd den Kopf und setzt die Haube wieder nach vorn, versteckt ihr wunderschönes Haar darunter. »So besser«, sagt sie.
    »Nicht so hübsch, nicht so hübsch! Ihr müsst sie zurückgeschoben tragen. Zurück!«, rufe ich aus.
    Sie lächelt über meine Aufregung. »Zu französisch.« Mehr sagt sie dazu

Weitere Kostenlose Bücher