Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
erkunden, wie die Befindlichkeit gegenüber Spanien ist. Wenn König Franz bestätigt, dass er die Spanier nicht mehr mag, dass er sie satthat und ihrer Falschheit überdrüssig ist, dann könnte er sich vielleicht zu einer Allianz mit England gegen Spanien bereit erklären. In diesem Falle würden wir die Freundschaft Kleves nicht mehr benötigen, wir brauchten keine klevische Königin auf dem Thron.« Er legt eine bedeutungsvolle Pause ein. »In solch einem Falle wäre unser Thron besser unbesetzt. Wir wären besser beraten, wenn unser König frei wäre, um eine französische Prinzessin zu ehelichen.«
Mir schwirrt der Kopf, wie so oft bei Gesprächen mit dem Herzog. »Mylord, wollt Ihr damit sagen, dass der König jetzt ein Bündnis mit Frankreich eingehen könnte und deshalb Königin Annas Bruder als Freund nicht mehr braucht?«
»Ganz genau. Nicht nur, dass er ihn nicht braucht, die Freundschaft mit Kleve könnte sogar ein Hindernis darstellen. Wenn Frankreich und Spanien nicht gegen uns rüsten, dann brauchen wir ihn nicht, dann wollen wir nicht mit Protestanten im Bunde sein, wir könnten uns stattdessen eine der alten Mächte auswählen, Frankreich oder Spanien. Wir könnten uns sogar wieder mit dem Papst versöhnen. Wenn Gott mit uns ist, könnten wir für unseren König päpstliche Vergebung erlangen, wir könnten den alten Glauben wieder einsetzen und die Kirche von England wieder dem Primat des Papstes unterstellen. Alles ist möglich unter König Heinrich, wie stets. Im ganzen Kronrat gab es nur einen Mann, der Herzog Wilhelm für einen Trumpf im Ärmel hielt, und dieser Mann steht möglicherweise kurz vor seinem Sturz.«
Ich schnappe nach Luft. »Thomas Cromwell soll gestürzt werden?«
»Die höchst wichtige diplomatische Mission, die Befindlichkeiten Frankreichs auszuloten, ist mir übertragen worden, und nicht Thomas Cromwell. Die Sorge, dass unsere Kirchenreform zu weit gegangen sei, teilt der König mir mit, und nicht Thomas Cromwell. Thomas Cromwell hat das Bündnis mit Kleve geschmiedet. Thomas Cromwell hat die Ehe mit Kleve arrangiert. Wie sich nun herausstellt, brauchen wir dieses Bündnis gar nicht, und die Ehe ist nie vollzogen worden. Wie sich nun herausstellt, mag der König die flandrische Mähre nicht. Ergo (das bedeutet ›deshalb‹, meine liebe Lady Rochford), ergo können wir auf die Mähre, die Ehe, auf das Bündnis und auf dessen Vermittler Thomas Cromwell verzichten.«
»Und Ihr werdet des Königs Erster Berater?«
»Möglich.«
»Und würdet ihm zu einer Allianz mit Frankreich raten?«
»So Gott will.«
»Da wir gerade von Gott reden: Wird er sich mit der Kirche aussöhnen?«
»Mit der heiligen römischen Kirche«, korrigiert er. »Ich hoffe inständig, dass wir ihre Wiedereinsetzung erleben. Ich möchte das schon lange, und das halbe Land teilt meine Gefühle.«
»Und deshalb wollen wir die lutheranische Königin nicht mehr haben?«
»Genau, wir brauchen sie nicht mehr. Sie steht mir im Weg.«
»Und Ihr habt bereits eine andere Kandidatin im Auge?«
Er lächelt mich an. »Vielleicht. Und vielleicht hat auch der König bereits eine andere Kandidatin erkoren. Vielleicht hat ihn seine Laune auf einen Weg geführt, dem sein Gewissen bald folgen wird.«
»Zu der kleinen Kitty Howard.«
Er grinst breit.
Ich frage geradeheraus: »Aber was wird aus der jungen Königin Anna?«
Er schweigt lange. »Wie soll ich das wissen?«, fragt er schließlich. »Vielleicht wird sie die Scheidung akzeptieren, vielleicht muss sie sterben. Ich weiß nur eines: Sie steht mir im Wege und sie muss fort.«
»Sie hat keine Freunde in diesem Lande, und die meisten ihrer Landsleute sind heimgekehrt. Ihre Mutter und ihr Bruder unterstützen sie in keinster Weise. Schwebt sie bereits in Lebensgefahr?«
Er zuckt die Achseln. »Nur, wenn sie sich des Hochverrats schuldig gemacht hat.«
»Wie könnte sie? Sie kann unsere Sprache nicht, sie kennt niemand außer den Leuten, die ihr vorgestellt wurden. Wie könnte sie fähig sein, Intrigen gegen den König zu schmieden?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagt er grinsend. »Vielleicht werde ich Euch eines Tages um die Aussage bitten, wie sie ihren Verrat plante. Vielleicht werdet Ihr vor einem Gericht stehen und Beweise für ihre Schuld beibringen.«
»Tut das nicht«, sage ich mit erstarrten Lippen.
»Ihr habt es schon einmal getan«, höhnt er.
»Nicht ...«
K ATHERINE , W HITEHALL , F EBRUAR 1540
Ich bürste das lange, blonde Haar
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