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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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knurrt er und stapft von seinem Tisch zur Tür hinter dem Thron, die in seine Privatgemächer führt. Da er diese Tür fast nie benutzt, steht auch kein Diener bereit, um sie zu öffnen, und er muss es selbst tun. Dann ist er fort und lässt uns alle fassungslos zurück.
    Sie sieht mich an, und nun sehe ich, dass sie nicht ruhig ist, wie ich dachte, sondern starr vor Entsetzen. Doch erst jetzt, nachdem er davongerauscht ist und die Höflinge sich so weit gefasst haben, dass sie vor der zugeschlagenen Tür eine Verbeugung machen, lässt sie es zu.
    »Es ist Recht von Königin, Damen in ihr Haus einzuladen«, sagt sie mit zitternder Stimme.
    »Ihr habt gewonnen«, sage ich ungläubig.
    »Ich werde Pflicht tun«, wiederholt sie.
    »Ihr habt gewonnen«, sage ich ungläubig. »Er hat ja gesagt: Ladet sie ein.«
    »Es ist richtig«, beharrt sie. »Ich tue meine Pflicht, für England. Ich werde meine Pflicht tun, an ihm.«

 
 
A NNA , H AMPTON C OURT , M ÄRZ 1540
 
    Ich warte in meinen Gemächern in Schloss Hampton Court auf meinen neuen Gesandten, der vergangene Nacht spät ankam und mich heute Morgen aufsuchen soll. Ich hatte geglaubt, dass der König ihn vor mir empfangen wolle, aber bis jetzt hat man noch nichts von einer offiziellen Begrüßung verlauten lassen.
    »Ist richtig so?«, frage ich Lady Rochford.
    Sie macht einen leicht unsicheren Eindruck. »Botschaftern wird für gewöhnlich ein besonderer Empfang zuteil, auf dem sie dem Hof und dem Kronrat vorgestellt werden«, erklärt sie. Dann spreizt sie ihre Hände, als wolle sie sagen, sie wisse nicht, warum der Gesandte aus Kleve anders behandelt wird. »Wir haben Fastenzeit«, meint sie. »Er hätte nicht während der Fastenzeit kommen sollen, sondern erst zu Ostern.«
    Ich wende mich zum Fenster, damit sie nicht sieht, wie gereizt ich bin. Er hätte mit mir zusammen reisen sollen, mit mir zusammen englischen Boden betreten. Dann hätte ich vom ersten Augenblick an einen Bevollmächtigten beim König gehabt, einen, der auch hier geblieben wäre. Die Grafen Oberstein und Olisleger haben mir zwar das Geleit gegeben, aber sie wussten, dass sie nicht bleiben, sondern wieder heimkehren würden, und sie hatten keinerlei Erfahrung mit ausländischen Königshöfen. Von Anfang an hätte ich einen Gesandten an meiner Seite haben sollen. Wenn er in Rochester bei mir gewesen wäre, als ich den König bei unserer ersten Begegnung so beleidigte ... Aber Bedauern hilft auch nicht weiter. Da mein Gesandter nun eingetroffen ist, wird er vielleicht Mittel und Wege finden, mir zu helfen.
    Es klopft an der Tür, und zwei Wachen schwingen die Türflügel auf. »Herr Doktor Karl Harst«, verkündet der Diener mühsam den deutschen Namen, und der klevische Botschafter betritt das Zimmer und macht eine tiefe Verbeugung. Alle meine Hofdamen knicksen und begutachten ihn, dann tuscheln sie untereinander. Der Kragen seines Samtjacketts ist fadenscheinig, und die Absätze seiner Stiefel sind schief getreten, selbst die Feder an seiner Kappe sieht aus, als hätte sie eine wüste Reise hinter sich. Ich werde vor Verlegenheit rot, dass dieser Mann als Repräsentant meines Landes an den reichsten und frivolsten Hof der Christenheit geschickt worden ist. Er wird sich zum Gespött machen und mich dazu.
    »Herr Doktor«, sage ich und reiche ihm die Hand zum Kuss.
    Ich sehe, dass mein modisches Kleid ihn erschreckt. Beeindruckt mustert er meine englische Haube, die kokett auf meinem Haar sitzt, meine kostbaren Ringe sowie die goldenen Ketten, die um meine Taille geschlungen sind. Er küsst mir die Hand und sagt in meiner Muttersprache: »Es ist mir eine Ehre, Euch dienen zu dürfen, Euer Gnaden. Ich bin Euer Botschafter.«
    Gott, ja, und er sieht aus wie ein armer Schreiber. Ich nicke.
    »Habt Ihr schon Euer Fasten gebrochen?«, frage ich.
    Er schaut ein wenig verlegen drein. »Ich ... äh ... ich verstehe nicht ganz ...«
    »Ihr habt noch nichts gegessen?«
    »Ich konnte die Halle nicht finden, Euer Gnaden. Vergebt mir. Das Schloss ist sehr groß, und meine Zimmer liegen weit vom Hauptgebäude entfernt, und es war niemand zu ...«
    Sie haben ihn irgendwo auf halbem Wege zu den Ställen untergebracht. »Habt Ihr niemanden gefragt? Es sind doch Tausende von Dienern da?«
    »Ich spreche kein Englisch.«
    Nun bin ich wirklich entsetzt. »Ihr sprecht kein Englisch? Wie wollt Ihr die Interessen unseres Landes vertreten? Hier spricht doch niemand Deutsch!«
    »Euer Bruder, der Herzog, meinte, dass

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