Das Erbe Der Loge: Roman
Hauses setzte sich im Inneren fort. Überall antike Möbel, stilvoll arrangiert, nichts Geschmackloses.
»Nach dem Tod meines Vaters wollte Mutter aus Köln weg. Sie hat ihr ganzes Leben Auslauf gebraucht, und den hat sie hier. Wenn du reiten willst, hinter dem Haus sind Pferde.«
Der Flur mündete in einen sehr großen Wohn-Essraum, in dessen Mitte ein mit Delfter Kacheln verkleideter Ofen wie ein Stützpfeiler vom Boden bis zur Decke reichte und eine massive Ruhe ausstrahlte. Ich bin der Mittelpunkt des Lebens, versammelt euch um mich, gab dieses Prachtstück mit seiner umlaufenden Sitzbank zu verstehen.
»Ma, bist du da?«, rief Kitty laut, »ich habe männlichen Besuch mitgebracht.«
»Bin in der Küche«, kam es aus einem Raum neben dem Essplatz. »Männlich, um die Tageszeit? Den muss ich mir ansehen.«
Die alte Dame steckte ihren Kopf um die Ecke. Sie sah wie die italienische Mutter der amerikanischen Fernsehserie »Golden Girls« aus. Ein weißer Schopf, im Afrolook onduliert. Das Gesicht, braun gebrannt, hatte den Alterungsprozess nicht mitgemacht oder war kosmetisch nachbehandelt.
»Erinnerst du dich noch an meinen Schulkollegen Peter Stösser?«
Die alte Dame trat einen Schritt vor und musterte mich mit einem Küchenmesser in der Hand.
»Natürlich. Sie waren doch der pickelige Junge, der mit meiner Tochter den Tanzkurs gemacht hat. Was haben Sie ausgefressen, dass Kitty Sie um die Uhrzeit von Düsseldorf hierher bringt?«
Der Hinweis auf unseren gemeinsamen Tanzkurs war mir peinlich. Da ich unsere Tanzlehrerin mit meinem unrhythmischen Verhalten zur Verzweiflung gebracht hatte und deshalb keine der Schönheiten mit mir tanzen wollte, hatte sie mir Kitty zugewiesen, die das gleiche Problem hatte. So waren wir beiden zwangsläufig eine Art bewegungstechnische Notgemeinschaft geworden.
»Er hat nichts verbrochen. Er ist Journalist und womöglich einem Fall auf der Spur, der ihn das Leben kosten kann«, erklärte Kitty.
»Das hört sich gut an«, nickte die Mama. »Gefahr ist die Würze des Lebens. Das hält einen auf Trab. Setzt euch. Ich mache ein Bauernfrühstück.« Damit verschwand sie wieder in der Küche.
Eine seltsame Situation, befand ich. Nie hatte ich Kitty als Frau ernst genommen. War Stammgast in ihrem Club gewesen, hatte mich mit ihren Mädchen vergnügt, bezahlt und manchmal auch Danke gesagt. Jetzt schien sie die einzige Person zu sein, der ich vertrauen konnte, und langsam fühlte ich, wie die Anspannung aus mir wich und Hunger, Durst und einer bleiernen Müdigkeit Platz machten.
»Hast du die Fotos auf Speicherkarte gemacht? Sonst haben wir ein Problem mit dem Computeranschluss«, holte mich Kitty aus meiner beginnenden Lethargie zurück.
»Speicherkarte«, gähnte ich und reichte ihr den Apparat.
»Sehr gut«, lächelte sie mich an. »Dann haben wir es gleich. Aber schlaf mir jetzt nicht ein. Das kannst du noch den ganzen Tag.«
Sie startete ein Notebook, das auf einem Schreibtisch unter dem Fenster zum Garten lag, und schob die Chipkarte in den Leseschlitz.
»Kommt frühstücken!« Mutter tischte eine Pfanne mit Rührei und Speck auf. Bauernbrot und Käse rundeten das Geschmacksbild ab.
»Fangt schon mal an und gib Peter ein Bier dazu«, kam es vom Schreibtisch.
»Um diese Tageszeit ein Bier?« Die alte Dame zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Schultern. »Aber wie ihr meint. Dann kommt endlich, bevor die Eier kalt werden.«
Während die alte Dame den Tisch abräumte, zündete sich Kitty eine Zigarette an und musterte mich nachdenklich. »Willst du noch ein paar Tage leben oder ein toter Millionär werden? Unter welchen Umständen sind diese Fotos zustande gekommen?« »Ich verstehe nicht, warum du das wissen willst?«
»Bevor ich dir etwas zu einigen von diesen Leuten erzähle, muss ich die Zusammenhänge wissen, sonst verstehe ich das auch nicht.«
»Du erkennst welche auf den Bildern?« Mir war eigentlich nicht danach, noch jemanden in Gefahr zu bringen. Denn das dicke Ende stand für mich unweigerlich bevor. Meine Neffen würden keine Ruhe geben, bis sie das Ergebnis ihres Coups wiederhatten.
»Also was ist?«, drängelte Kitty. »Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Wer bei mir verkehrt, weiß, dass ich absolut diskret bin — sein muss, sonst kann ich meine Bars zumachen. Und wer kommt schon auf die Idee, mich damit in Verbindung zu bringen.«
»Na schön.« Ich begann die Geschichte in geraffter Version zu erzählen, denn im Grunde war
Weitere Kostenlose Bücher