Das Erbe Der Loge: Roman
bei diesem Thema an.
»Habe ich bei einer Spedition einlagern lassen«, mogelte ich mich aus der Situation.
»Alle?«, fragte er über die Kaffeetasse hinweg.
»Natürlich. Warum?«
»Weil diese Hannah plötzlich hundertzwanzig Kilo Übergepäck hatte.«
»Warum sind Sie wirklich hier?«, bog ich von dem für mich peinlich werdenden Thema ab und bemühte mich, meinen Ärger darüber zu unterdrücken, dass ich mehr als alter Gockel gefühlt, als rational gedacht hatte. Hannah hatte mich mit der einfachsten Masche, die Frauen im Gepäck haben können, geködert und benutzt.
»Sagte ich doch«, ging Kögel endlich auf meine Frage ein. »Der Artikel hat die Leute wach gemacht, nicht mehr jeden tödlichen Unfall als solchen hinzunehmen. Und wir haben wieder einen Unfall mit Tarotkarte.«
»Und dann sitzen Sie noch hier herum?«
Er hob abwehrend die Hände.
»Langsam. Das war gestern, und ich schicke inzwischen meine Leute. Wenn ich auftauche, dann wittert das LKA gleich wieder etwas. Aber so war es ein ganz einfacher Reitunfall, der auch nicht über Polizeifunk gemeldet wurde. Wir fahren nachher zu diesem Gestüt.«
»Welche Karte?«
Kögel köpfte sein zweites Frühstücksei wie ein Scharfrichter.
»Hab sie noch nicht. Mein Mitarbeiter sagt, es sei so etwas wie ein Mond darauf.«
Mond. Das war die achtzehnte Karte im großen Arkanum.
»War das Frühstück nicht ausreichend?«, fragte er lauernd, während ich eine Pizza aus dem Gefrierfach zog.
Ich hatte von ihm gelernt und meine, nein Hannahs Liste im Karton der Tiefkühlpizza versteckt. Hier hatte die Hausdurchsuchung nicht nachgesehen.
»Waren wohl wieder nur Weiber dabei«, knurrte der Kommissar kopfschüttelnd. »Meine Leute hätten das Versteck gefunden.«
Der Mond entsprach auch dem achtzehnten Buchstaben unseres Alphabets, dem »R«.
Jetzt hatte ich das eindeutige Wort »GOLD«, das »R«, ein »U« und das »H«.
»GOLDRUH.« Das ergab langsam einen Sinn.
»›GOLDUHR‹ passt aber auch«, sinnierte Kögel. »Diese Dechiffriermaschine ist doch bestimmt nicht auf Ihrem Mist gewachsen«, prüfte er die Handschrift auf der Liste.
»Das war doch sicher wieder diese Jü... pardon: Israeli?«
Die ganze Situation wuchs mir über den Kopf. Eine Frage jagte die andere, ohne jemals in die Nähe einer Antwort zu kommen.
Kögel war mir ständig auf den Fersen. Aus zweiunddreißig Soldbüchern und einem Foto mit ebenso vielen Männern waren inzwischen, je nach Auslegung, mal einer mehr, mal einer weniger geworden. Hannah hatte mir eine perfekte Bühnenshow geboten, auf die ich auch noch hereingefallen war. Kögel zog seine eigene Vorstellung ab, ohne dass ich sie bisher durchschauen konnte. Ich kam mir wie der verschwundene Kasten vor.
Alle glaubten, dass man nur mit meinem Wissen weiterkam. Welchen Inhalt ich hatte, schien niemand zu interessieren.
»Was ist hier los?«, knallte ich das Besteck auf den Tisch. »Was treiben Sie und diese Hannah für ein Spiel?«
»Darf man bei Ihnen nach dem Frühstück rauchen?«
Kögel schien ganz schön in der Scheiße zu sitzen, dass er plötzlich diese Höflichkeit an den Tag legte.
Er biss wie immer das Mundstück des Zigarillos ab, spuckte es aber nicht wie üblich in die Gegend, sondern fieselte es behutsam von der Zunge und krümelte es in eine leere Eierschale.
Die Prozedur, die nun folgte, kannte ich schon. Anzünden, einatmen, Luft anhalten, die Konsistenz des Zigarillos prüfen, durch Mund und Nase einen Schwall von Dampf ablassen und ausatmen.
»Sie sind als Halbwaise aufgewachsen, nicht wahr?«, begann er mit den Husten unterdrückender Stimme. »So wie ich. Meinen Vater habe ich nie gekannt. Sie sind 1946 geboren. Ich 1936.«
Er berührte den Punkt, den ich, seit ich mir über meine Familienverhältnisse Gedanken machen konnte, verdrängt hatte, da es keine Möglichkeit gab, Licht in diese Vergangenheit zu bringen.
Er lehnte sich zurück. Die Tabakrolle wippte zwischen seinen Lippen. Sein Blick verharrte irgendwo an einem Bild hinter mir.
»Durch diesen ›Tarot-Mörder‹ habe ich mich getraut, mal näher in meiner Vergangenheit zu stochern«, hob er betont langsam an. »Wissen Sie, was ich da gefunden habe?«
Ich ahnte es, hoffte aber, dass es nicht wahr sein würde.
»Durch die Nürnberger Gesetze 1935 wurden alle Ehen zwischen Juden und Christen für nichtig erklärt.«
Er machte eine Pause und prüfte, ob ich Interesse zeigte.
»Ist mir bekannt«, bestätigte ich.
»Als meine Mutter
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