Das Erbe Der Loge: Roman
nicht falsch. Auch die jüdische Kirche hat das Recht auf Gewährung von Kirchenasyl, aber ...«
»... es wäre besser, wenn ich ihn gleich mitnehme«, vollendete ich seinen Hilfeschrei. »Ich tue, was ich kann«, versuchte ich mich selbst zu beruhigen, denn ich hatte keine blasse Ahnung, was ich mit Sam machen sollte.
Zu mir konnten wir nicht. Sowohl Kögel als auch Joshua würden diesen neugierigen Hausmeister als Wachhund engagiert haben. Susanne fiel mir ein. Aber da stand mein verwanzter Golf vor der Tür. Und an Hannah war nicht zu denken, bevor ich nicht wusste, was Sam mit mir besprechen wollte. Odilo? Da ich seine Familie nicht näher kannte, war es mir zu riskant, einen angesehenen Wissenschaftler in was auch immer hineinzuziehen.
Im Büro war kein Licht eingeschaltet. Sams Gesicht wurde nur von zwei Bildschirmen erhellt. Links stand der klobige Monitor des Rabbis, rechts war ein Laptop angeschlossen.
»Hi«, grinste Sam kurz und widmete sich weiter den Tastaturen.
»Schnüffelst du schon wieder unbefugt in Programmen?«, knurrte ich aus dem Dunkel.
Er schüttelte nur konzentriert den Kopf. »Von wegen. Ich mache gerade mit dem Synagogencomputer eine Wurmkur. Der Rabbi hat sich so ziemlich alles eingefangen, was da zurzeit im Internet unterwegs ist. Das Ding konnte ja nicht mehr gehen. Da ich aber meine Programme nicht mit mir herumschleppe, muss ich mein Anti-Viren-Programm auf dieses gute Stück hier von meinem Laptop herüberziehen, und das sucht schon eine ganze Weile erfolgreich nach ungebetenen Gästen. Dauert aber nur noch fünf Minuten.«
Der Rabbi und ich nahmen wie Zuschauer, die erwartungsvoll darauf warteten, dass der Vorhang die Bühne endlich freigab, auf den Besucherstühlen Platz und lasen nur an der wechselnden Helligkeit der Bildschirme die Aktivitäten der Programme in den Maschinen und Sams Kopf ab.
Ein Handy klingelte. Sam griff in seine Tasche, schaute kurz auf das Display und nahm den Anruf entgegen. Wenige Sekunden später gab mein Handy Laut. Es war Susannes Nummer. Im gleichen Augenblick, als ich die Annahmetaste drückte, riss sich Sam seinen Apparat vom Ohr und beide Handys gaben den gleichen Nerven zerfetzenden Pfeifton von sich.
»Scheiße«, schrie mich Sam an. »Machen Sie sofort das Ding aus.« Er drückte sein Gespräch weg, beugte sich blitzschnell über den Schreibtisch und riss mir mein Gerät aus der Hand.
»Keinen Laut jetzt«, flüsterte er, schaltete die Schreibtischlampe an, zog mit einer gekonnten Handbewegung den Akku aus meinem Gerät und begann das Innenleben zu untersuchen.
Er schüttelte den Kopf, legte den Finger auf die Lippen zum Zeichen, dass keiner etwas sagen durfte, riss einen Zettel von einem Notizklotz, kritzelte etwas darauf und reichte ihn uns.
»Strikte Ruhe, ich brauche eine Lupe.«
Der Rabbi nickte und versuchte geräuschlos aus dem Stuhl zu kommen, der aber durch ein knarrendes Geräusch auf sich aufmerksam machte, wie ein erkälteter Zuschauer genau dann die Vorstellung stört, wenn es am spannendsten ist. Vorsichtig zog der Kirchenmann eine Schublade im Schreibtisch auf, die sich natürlich bei dem Alter des Möbels auch nicht lautlos öffnen ließ, und reichte Sam das Gewünschte.
Es tat weh, zuzusehen, wie der Technikfreak mit einem viel zu großen Taschenmesser die feinen Innereien meines störrischen Gerätes zu zerlegen begann. Dazu fiel mir ein mittelalterlicher Kupferstich ein, auf dem ein Mann eine Hufschmiedzange benutzte, um einem geplagten Menschen, der von zwei Männern gehalten wurde, einen Zahn zu ziehen.
»Seit wann haben Sie dieses Gerät?« Sam schob mir auf einem Zettel etwas zu, was wie ein sehr klein geratener, schwarzer Zündholzkopf aussah.
»Was ist das?« Ich versuchte das Ding zwischen die Finger zu bekommen, musste aber einsehen, dass eine Pinzette wohl das bessere Werkzeug gewesen wäre.
Sam lehnte sich zurück und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Eine Wanze, die alles überträgt, auch wenn das Gerät nicht eingeschaltet ist. Dann hat sie eine Reichweite von fünfhundert Metern. Sobald das Handy aktiv ist, erhöht sich der Radius um das Zehnfache. Gute Arbeit. Wer hat Ihnen das Ding untergejubelt?«
Der Rabbi stand wie eine Wachsfigur angewurzelt neben der offenen Schublade, und mein Gehirn weigerte sich, das eben Gesehene zu verstehen.
»Peter, Sie müssen doch gemerkt haben, dass dies nicht Ihr Handy sein konnte? So ein Gerät präpariert man nicht mal eben. Dazu bedarf es Zeit und
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