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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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rücksichtslos geschwungen war, hatte ihre Aufmerksamkeit schon wieder der Burg zugewandt.
    Er war überrascht, als er seinen Namen hörte. »Sigfinn! Sigfinn!«
    Seine Augen brauchten eine Weile, bis sie die schmale Gestalt fanden, die sich ihren Weg durch den Pöbel bahnte.
    Es war Glismoda.
    Sie drückte ihn an sich wie einen Gatten, der nach einem langen Krieg vom Schlachtfeld kam, und obwohl sie einander nie innig berührt hatten, liefen ihr Tränen der Freude übers Gesicht. »Ich hatte so Furcht, dich nie wiederzusehen.«
    Sigfinn gönnte sich einen Moment seliger Ruhe in ihrer Umarmung. »Was geht hier vor sich?«
    »Niemand weiß etwas Genaues«, berichtete die Frau, die augenscheinlich lange nicht mehr geschlafen hatte. »Aber Gerüchte gibt es viele. Von einem Heer reden sie, von vielen Truppen, die auf Burgund reiten. Neue Tyrannen, die Hurgans Thron für sich beanspruchen. Und in den letzten Tagen sprach das, was von Worms übrig ist - die Alten, die Frauen, die Kranken - dagegen. Wenn sie kommen, soll keine Burg mehr ihnen Heimat bieten.«
    Sigfinn war beeindruckt. Hagen mochte die Burgunder geknechtet und vielfach gebrochen haben, aber ihnen stand der Sinn nicht länger nach einer starken Hand. Sie
glaubten nicht mehr, dass ein Regent sie weise in eine gerechtere Zukunft führen würde.
    Der erste der acht großen Stützpfeiler, die das Gewicht der Burg trugen, brach splitternd und knirschend zur Seite weg. Es sah aus wie ein Pferd, dem ein Hindernis das Bein zertrümmerte. Mit großem Jubel begrüßten die Wormser ihren Erfolg, den vielleicht ersten nach so vielen Jahren.
    Nun war auch vom Boden mit bloßem Auge zu erkennen, dass Drachenfels zitterte, schwankte, stöhnte, wie ein Weib vor der gerechten Ohnmacht. Eilig machten sich die Menschen daran, die anderen Pfeiler zu zertrümmern.
    War es nur Sigfinn, der den Wahnsinn in der zügellosen Tat erkennen konnte?
    »Wenn die Burg fällt, wird niemand auf diesem Platz überleben, um davon zu erzählen«, flüsterte er. »Sie wird die halbe Innenstadt zerstören!«
    Auch Glismoda sah es nun, und ihre Augen weiteten sich. »Was können wir tun?«
    »Wir müssen den Platz räumen«, sagte Sigfinn. »Sonst verbringt Worms die nächsten Jahre damit, seine Toten zu bergen.«
    Er kämpfte sich durch die Menge, bis er zu einem Pfeiler gelangte, an dem er sich gerade weit genug hochhangelte, dass er die Tobenden überragte.
    »Bürger von Worms!«, schrie er. »Haltet ein!«
    Niemand hörte auf ihn. Zu lange angestaut war der Wunsch nach Rache, als dass er nun durch weise Worte zu stillen war.
    Auch Glismoda bahnte sich ihren Weg, rief immer wieder verzweifelt. »Hört ihm zu! So hört ihm doch zu!«
    Sigfinn versuchte es erneut. »Die Burg wird euer Grabstein sein, wenn ihr nicht zurückweicht!« Der zweite Pfeiler
knarzte so laut, dass der Prinz die verbleibende Zeit gerade mal in Minuten zu schätzen wagte. In seiner Hilflosigkeit zog er sein Schwert und schwenkte es über dem Kopf. »Ich bin Sigfinn, Nachfahre Siegfrieds, Träger von Nothung! Und ich sage euch: macht Platz!« Für einen kurzen Moment schien der Pöbel einzuhalten, nur um dann mit noch mehr Furor loszubrüllen. Sigfinn erinnerte sich schmerzhaft daran, dass Siegfrieds Name in dieser Welt kaum Gewicht besaß. Nothung war nicht mehr als ein Schwert.
    Es war hoffnungslos. Die Wormser würden von Drachenfels nicht ablassen, bevor sie unter ihm begraben wurden. Weitere Seile rissen, eine der hölzernen Freitreppen krachte zu Boden und nahm das Leben von bestimmt einem Dutzend Bürger mit sich.
    Eher aus dem Augenwinkel nahm Sigfinn wahr, dass Soldaten aus den Gassen auf den Platz traten und die Menschen mit Schilden auseinanderdrängten. An den Ecken postierten sich Frauen, die die Menge in kleinere Ströme teilten und unter der Burg wegleiteten. Die größten Schreihälse wurden umstellt und klug in Gespräche verwickelt, um sie zu beschäftigen.
    Soldaten? Wo kamen die Soldaten her? Ihre Rüstungen hatte Sigfinn noch nie gesehen, und dem gefälligen Verhalten nach hatten sie nie in Hagens Sold gestanden - kein Schwert war gezogen, niemand wurde bedroht.
    Und doch: es gelang der wohlorganisierten Truppe das, was dem Prinzen missglückt war - die Wut der Masse verlief sich, wurde dünner, leiser. Es half, dass weitere Steinbrocken ein gutes Dutzend Wormser Bürger erschlugen und die Gefahr der stürzenden Burg kaum noch zu übersehen war. Nach Kräften half Sigfinn den tapferen Männern,
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