Das Erbe Der Nibelungen
Stumpf des abgehackten Drachenkopfes festzuzurren. So hatte sie einen mehrere Ellen langen Lederriemen, an dem sie das Schmuckstück im Rhein versenken konnte, während das Ufer in großer Geschwindigkeit näher kam.
Kaum tauchte ihre Amulett-Hälfte vor dem Bug in die Fluten, beruhigte sich das Wasser, und die blutrote Farbe verblasste schnell.
Sigfinn nahm nun seinen Teil des Amuletts, zog seinen Gürtel ab und knotete beides aneinander.
»Nicht loslassen!«, brüllte er den Steuermann an, der immer noch verzweifelt versuchte, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Dann schwang er sich über die Reling und kletterte am Steuerruder hinab, wo er das edle Metall an die breite Schaufel hängte.
Knirschend unterwarf sich das Wasser wieder dem Ruder, und das Schiff schwenkte so schnell in Richtung Flussmitte, dass Sigfinn sich mit aller Kraft festhalten musste, um nicht in den Rhein zu stürzen. Dann hangelte er sich zurück an Bord.
Kein Wasserfall mehr, kein Blut, keine verfluchten Wesen,
die am Rumpf nagten. Dafür war nun die Luft erfüllt vom Zischeln und Kreischen der Nibelungen.
»Ihr habt keine Macht über uns!«, schrie Sigfinn. »Mit Licht und Schatten könnt ihr spielen, unsere Augen und Ohren täuschen. Aber in unsere Köpfe könnt ihr nicht!«
Brynja schmiegte sich an seine Brust. »Dem Amulett sei Dank.«
Unbehelligt setzten sie ihre Reise fort.
Elsa war klug genug gewesen, eine Handvoll Nibelungengold in einen Lederbeutel zu stopfen, bevor sie ihr Pferd bestiegen hatte, um das leidige Worms zu verlassen. Auf dem Weg durch das zerfallende Burant garantierten die Münzen sichere Reise, frische Pferde und genug zu essen. Wer sich vom Geld nicht bestechen ließ, unterwarf sich meist schnell dem Schwerte Calders und seiner Leibgarde. So kamen sie gut voran.
Es war eine seltsame Stimmung im Land. Verwirrung herrschte und Anarchie, doch ohne sichtbare Gewalt. Die Menschen waren wie Kinder, die nach Jahren im Haus das erste Mal wieder ins Freie traten und in die Sonne blinzelten. Überall brannten die Leichen von Horden-Kriegern auf Scheiterhaufen, vielerorts waren ihre faulenden Köpfe auf Stecken aufgespießt, zum Zeichen der Befreiung. Angesichts der Tatsache, dass er mit seinen Männern erst vor wenigen Wochen mordend und plündernd durch diese Landstriche gezogen war, hielt Calder es für angebracht, nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Sie blieben abseits der großen Straßen und mieden Dörfer und Städte. Auch in Fjällhaven kehrten sie nicht ein - als ehemals grausame Herrscher konnten sie hier ohne ein Heer im Rücken kaum auf freundlichen Empfang hoffen. Stattdessen
schlichen sie zur Nacht in den Hafen, mordeten ein paar Wachen und banden ein Schiff vom Steg los, das sie geschwind nach Island bringen konnte.
Es war nicht die triumphale Rückkehr, die sich Calder gewünscht hatte - eigentlich hatte er gehofft, nie mehr nach Island zurückkehren zu müssen. Ihm hätte der Thron von Burgund gereicht, wo es warm war und der Wein reichlich floss. Zudem fragte er sich, was sie auf Island sollten - Elsa hatte darauf bestanden, dass sie dort am besten neue Kräfte sammeln und neue Pläne schmieden konnten. In die Fremde zu fliehen in der Hoffnung, ihre letzten Jahre unerkannt verbringen zu können, kam für beide nicht infrage.
Die zehn Soldaten an ihrer Seite, tumbe Kerle, aber treu und kampferprobt, waren genug, um Burg Isenstein einzunehmen und die paar Männer und Frauen aus Görand, die darauf aufgepasst hatten, hinauszuwerfen. Es war besser in dieser dunklen Zeit, niemandem mehr zu vertrauen, und so ließen Elsa und Calder sorgfältig alle Türen und Tore verschließen, durch die man die Burg betreten konnte.
Die Gier nach Macht war verebbt, die Siegesgewissheit einer dumpfen Niedergeschlagenheit gewichen. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb gaben sich Elsa und Calder zum ersten Mal wieder ganz einander hin, als sie das Bett vorfanden, dessen Laken sie so oft in Schweiß getränkt hatten. Sie reagierten aneinander ihre Wut in Leidenschaft ab, bissen, zerrten, kratzten ihre Leiber blutig. Es war die letzte Macht, die ihnen noch verblieben war, und sie ritten sich gegenseitig, wie um auszumachen, wer von ihnen nun die Führung hatte. Es war Elsa, deren Schoß weit mehr nehmen konnte, als Calders Lenden zu geben vermochten.
»Wohin gehst du?«, fragte er schlaftrunken, als sie aufstand, schweißnass glänzend von den Haaren bis zu den Knöcheln.
»Beichten«, sagte sie ohne einen
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