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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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Hurgan einst das Rheintal bereist hatte. Es war flach und schmal gebaut, um die tückischen Stellen des Flusses zu überstehen. Den Drachenkopf, der seinen Bug geziert hatte, hatte Maiwolf mit einer
Streitaxt abgehackt, und fleißige Frauen hatten das Reichswappen auf dem Segel schnell mit Laken übernäht. Das Boot kündete nun von keinem Land mehr, keinem König.
    Ein letztes Mal hielten Brynja und Sigfinn Rat mit den Oberen der freien Stadt Worms und vereinbarten friedlichen Handel mit den umliegenden Reichen - nach einer gewissen Zeit auch mit denen, die Calder bei seinem Feldzug unterstützt hatten. Niemandem war gedient, wenn man sich anfeindete. Wenden bot Worms ewige Freundschaft, die mit Freuden angenommen wurde.
    Sigfinn ließ Brynja den Moment, um den sie gebeten hatte, sich von ihrer Tochter zu verabschieden - und die Stunde, die daraus wurde. Er selbst packte Nothung ein und Halims Chronik und drückte dann Glismoda an sich, die ihn schweren Herzens ziehen ließ.
    So folgte dem Abend der Freude ein Tag der Abschiede und schweren Entscheidungen. Fast ganz Worms strömte zum Fluss hinunter, um Sigfinn und Brynja zu verabschieden, darunter viele Menschen, die sie gar nicht kannten, die aber in den letzten Tagen in irgendeiner Weise ihre Geschichte gehört hatten.
    In ruhigem Wasser trieben sie davon.
    »Es ist richtig, was wir tun, oder?«, fragte Brynja, als sie tief in der Nacht den Mittelrhein passiert hatten und nur noch Fackeln das Schiff und die Wasseroberfläche erleuchteten.
    »Es gibt keinen Zweifel«, antwortete Sigfinn, und er legte ihr den Arm um die fröstelnde Schulter. »Für jeden Menschen, der uns hier ans Herz gewachsen ist, warten in unserer Zeit zwei, nicht zuletzt unsere Eltern. Und es wartet das Leben, das uns versprochen und nicht aufgedrängt wurde.«
    »Werden wir uns erinnern? An all das hier? Oder werden
wir an demselben Morgen erwachen, an dem alles anders war, und es wird alles sein, wie es sein soll?«
    Er hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Möchtest du dich erinnern?«
    Sie drückte sich an ihn, und es war alle Wärme, die er in einer kalten Nacht brauchte. »Für das, was wir gefunden haben, ja. Aber für das, was wir verlieren werden, nein. Mein Herz ist zerrissen.«
    Er hob ihren schmalen Kopf am Kinn und küsste sie sacht, mit einer großen Selbstverständlichkeit, wie er es schon längst hätte tun sollen. Es gab ihr Mut und Hoffnung wie lange nicht mehr.
    »Dein Bart kratzt«, sagte sie leise und glücklich.
     
    Die Nibelungen waren außer sich. Alles war ihnen versprochen worden, alles hatten sie bekommen - und in wenigen Wochen doch alles wieder verloren. Hurgan tot, Gadaric tot, Fafnir tot - die Burg in Trümmern und Worms ungeknechtet.
    Sie hatten es geschehen lassen, weil es sich nicht verhindern ließ. Statt sich weiter einzumischen, hatten sie die alten Götter angerufen und aufgefordert, für den Pakt einzutreten. Es konnte nicht sein, dass ihr Plan so schändlich und noch dazu ohne Strafe vereitelt wurde.
    Die Götter, müde und der kreischenden Nibelungen überdrüssig, ließen sich nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich hatten die Zwerge selbst den Plan erdacht, und dass Hagen als Hurgan letztlich ein zu schwacher Herrscher gewesen war, hätten sie erkennen müssen. Und seine anmaßende Idee, den gebrochenen Siegfried am Leben zu lassen, um ihn als Tier zu halten, war im besten Falle unvorsichtig gewesen. Gadaric hätte zu jeder Zeit mit einem
Schwertstreich verhindern können, was nun geschehen war. Gleiches galt für Elsa, Hagens Kind: ihr Verrat war nicht Sigfinns und Brynjas Handeln geschuldet, sondern allein ihrer Gier nach Macht und ihrer Langeweile. Und letztlich: war es nicht blanke Eitelkeit gewesen, Nothung nicht zu schmelzen und jeden Tropfen Metall in alle Himmelsrichtungen zu verteilen? Ein solches Schwert konnte nicht liegen, ohne dass jemand kommen musste, der es für sich beanspruchte.
    So sehr die Nibelungen auch klagten und zeterten, bei den Göttern fanden sie kein Gehör. Am Ende waren Sigfinn und Brynja nur Werkzeuge von Ereignissen gewesen, die unter anderen Umständen, zu anderen Zeiten ebenso hätten eintreten müssen. Sie waren kein Verrat am Spiel - nur die Anwendung einer sehr alten und oft vergessenen Regel: was sein soll, wird sein.
    In einem letzten Aufbäumen verlangten die Nibelungen Brunhildes ewige Verbannung, weil sie wiederholt in das Spiel eingegriffen hatte, um es zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Brunhilde selbst

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