Das Erbe Der Nibelungen
ausreichend, was niemand sehen sollte.
Als er seinen Fuß in das heiße Quellwasser setzte, spürte er rostige Nägel durch seinen ganzen Körper treiben, die Schulter, Brustkorb und das verkrustete linke Bein zu durchstoßen trachteten. Er gab sich Mühe, nicht schwach zu wirken, doch er konnte nicht verhindern, dass er aufstöhnte.
Brynja, bis zu den Schultern in der Quelle, sah nun seine Verbände und die blauschwarzen Blutergüsse überall an Sigfinns Körper. »Heilige Mutter Maria, was ist mit dir geschehen?«
Sigfinn winkte ab, aber seine Kiefer waren zu gepresst, um zu antworten. Brynja erhob sich ein wenig, um ihm zu helfen. Ihr Unterkleid war nun vom Wasser getränkt und saugte sich durchsichtig und gierig an ihren jungen Körper. Hatte der Prinz vor Augenblicken noch dem Himmel gedankt, dass sie sich nicht ganz ausgezogen hatte, so war der
Anblick jetzt umso schlimmer. Brynjas Körper war eine Einladung, heiß und dampfend. Kein Mädchen mehr, sondern Frau - und diese Erkenntnis weckte in Sigfinn den Mann.
Er setzte sich schneller hin, als gut für ihn war, und das Schwefelwasser ätzte seine geschundene Haut. Auch Brynja versank wieder in der Quelle. Sie schloss die Augen, und süßer Schweiß rollte über ihre Wangen und Lippen. »Kaum etwas habe ich mehr vermisst. Du nicht auch?«
»Ja«, log Sigfinn und bemühte sich, Gedanken zu finden, die nicht in wilde Raserei mündeten.
Eine gute halbe Stunde saßen sie so da, die Haut aufgeweicht vom heißen Bade. Brynja erzählte von der Reise und Sigfinn von seinem Kampf mit dem Fisch. Manchmal, wenn Brynja sich ein wenig drehte, streifte einer ihrer Füße sein Bein.
Fast mit Gewalt versuchte Sigfinn, sich an die unschuldigen Kindertage zu erinnern, die sie hier verbracht hatten. Nichts hatte sich geändert - und doch hatte alles sich geändert …
»Mein Vater lässt einen Gatten für mich suchen«, unterbrach Brynja unvermittelt Sigfinns wirre Gedanken. »Ich soll verheiratet sein, bevor der nächste Sommer kommt.«
Der Prinz sah sie an, und er war unsicher, welches Gefühl zu diesem Satz in ihren Augen stand. »Und was hältst du davon?«
Verspielt senkte sie das Gesicht ins Wasser und sprudelte mit ihrem Atem die Oberfläche, bevor sie antwortete. »Es ist an der Zeit, denke ich. Warum sollte er warten, bis ich zwanzig bin?«
»Hat er geeignete Kandidaten empfangen?«
Brynja verzog die Mundwinkel. »Es fehlt an Kriegen, die durch eine Hochzeit zu beenden wären. Und mein Vater
ist nicht reich. Mein Wert als Braut ist demnach sehr beschränkt.«
So berechtigt diese Bedenken waren, so sehr empörten sie Sigfinn. Für ihn war Brynja mehr wert als alle Reiche zusammen, und er hatte den Wunsch, es ihr zu sagen. »Sprich nicht so. Deine Hand ist ein Imperium wert!«
Die Prinzessin lachte und spritzte Sigfinn verspielt Wasser ins Gesicht. »Ach ja? Sag das meinem Vater - vielleicht akzeptiert er dich als Bräutigam!« Sie sagte es zu selbstverständlich, um dahinter eine ernste Bitte zu verstecken, und das tat Sigfinn weh. »Wäre ich dem Edelried nicht gut genug? Oder dir?«
Brynja merkte, dass sie ihren guten Freund verletzt hatte, und rückte näher an ihn. Mit zarter Hand strich sie über seine Wange. »Natürlich nicht. Im Gegenteil. Doch unsere Reiche sind durch Blut und Freundschaft lange schon verbunden. Es läge kein Nutzen in unserer Ehe.«
Die Nüchternheit, mit der sie die Wahrheit aussprach, besserte Sigfinns Laune nicht. »Geht es denn nur darum? Um den Nutzen der Ehe?«
»Worum denn sonst?«, fragte Brynja zurück, und sie schien ehrlich überrascht. »Sonst könnte ich ja jeden heiraten.«
Sie stieg aus der Quelle. »Lass uns die Betten aufsuchen. Es wird bald hell, und ich will ruhen, bevor der ganze Hofstaat erwacht.«
Tropfend stand sie keinen Schritt von ihm entfernt, zog sich das Unterkleid über den Kopf und wrang es kräftig aus. Sigfinn sah zu, wie sie sich nackt nach ihrem Kleid bückte, und es durchfuhr ihn ein gieriges Verlangen, wie er es noch nicht gekannt hatte.
»Der morgige Tag soll uns zum Ausflug dienen. Lässt
du Pferde und Proviant bereitstellen?«, fragte Brynja, während sie ihr Oberteil unter der Brust verschnürte und dann ihre Haare ausschüttelte.
Erst nach einigen Augenblicken wurde Sigfinn klar, dass sie auf seine Antwort wartete. Doch er fand sich zu keiner fähig.
»Kommst du?«, wollte die Prinzessin nun wissen.
»Geh schon vor«, krächzte Sigfinn schließlich mühsam hervor. »Meine Wunden
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