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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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statt ihn gleich zu töten? Schließlich brauchte sie für ihre Pläne nur Calder. Aus ihrer Kleidtasche nahm sie den Ring, den sie sich von ihm hatte schenken lassen. Sie steckte ihn an den Zeigefinger und genoss die Flut von Bildern, die daraufhin ihren Körper durchströmte. Bilder von sonnigen Tagen in grünen Tälern, einer Welt ohne Drachen, einer Zeit ohne Horde. Ihre Knie wurden weich, und sie musste sich an der Wehrmauer festhalten.
     
    Sigfinn kämpfte mit jedem Schritt. Ein Bein zerrte er nach vorne, dann das andere. Vielleicht brauchte er für jeden Meter eine Minute, vielleicht auch einen Tag. Vielleicht lief die Zeit auch rückwärts. Es schien in diesem unwirklichen Wald nicht von Bedeutung. Das einzige Gefühl, das er jenseits des Schmerzes wahrnahm, war die Wärme des Drachenamuletts auf seiner Brust. Es rutschte wie von selbst hin und her, als trüge es seinen ganz eigenen Kampf aus.
    Geeeh! GEEEH!, schrien die Stimmen.
    »Zwingt. Mich.« Sigfinn keuchte in einer Stimme, die er selbst nicht kannte. Sie war heiser und entschlossen.
    Nach Stunden, Tagen, vielleicht Wochen kam er zu einer Lichtung, und hinter der Lichtung, wie das Maul an einem Hügel, lag der Eingang einer Höhle. Die Erde war hier durchfurcht wie ein Acker, und Schuppen des Drachen verrieten den Hausherrn. Sigfinn sah Knochen, verrostete Brustpanzer, eine gebrochene Lanze. Fast fiel er hin, als er mit dem Fuß auf einen Schädel trat.

    Die Geschichten von Halim fielen ihm ein - und von Otker. Vom Schmied Siegfried, der dem Drachen unterlegen war. Sigfinn bückte sich und strich mit der Hand über den Schädel, als könne dieser ihm Antworten geben.
    War das Siegfried?
    Auf jeden Fall war es nicht ratsam, hier vor der Höhle herumzustehen und den offenen Kampf zu suchen. Fafnir konnte jeden Augenblick auftauchen.
    Sigfinn quälte sich über die Lichtung und sah in der Höhle Licht. Eine Fackel? Der tödliche Odem des Drachen? Mühsam zog er das Schwert aus der Scheide an seinem Rücken. Doch es drückte seinen Arm zu Boden, als wöge es so viel wie ein Amboss. Die Spitze schleifte durch den Dreck. Er hatte das Gefühl, dass jedes Rehkitz ihn in diesem Zustand besiegen konnte.
    Niiicht … niiicht!, herrschten ihn die Stimmen an. Kein Platz für diiich! Keine Zeit für diiich!
    Mit dem Eintritt in die Höhle wurde es eiskalt. Hier fehlte nicht nur die Wärme der Sonne und des Waldbodens - es fehlte jegliches Leben. Kein Gras mehr, kein Moos an den Wänden. Nur harter, gnadenloser Stein, an vielen Stellen schwarz verrußt. Sigfinn ignorierte den trägen Gedanken, dass Fafnir hier vielleicht auf ihn wartete. Er ging dem Lichtschein nach, der ausreichte, um den Weg nicht zu verfehlen.
    Dann stand er im Felsendom.
    Was ihn hergeführt hatte, war nicht der Schein einer Fackel gewesen.
    Es war das Schimmern von Gold.
    Gold, so weit das Auge reichte. Hüfthoch aufgetürmt an vielen Stellen, doch nirgends den Boden frei lassend. Münzen, Barren, Geschmeide, Klingen, Kronen und Diademe.
Ein Schatz von unermesslicher Größe, unermesslicher Vielfalt, und einem magischen Glanz, der Sigfinn zu blenden drohte.
    Ein kleiner Brunnen in der Mitte sorgte dafür, dass unzählige Lichter an der Decke tanzten. Auf einem Podest darin lagen einige Gegenstände, als gälte es, sie selbst inmitten allen Goldes besonders zu würdigen.
    Sigfinn spürte dankbar, wie die Schmerzen nachließen und seine Schritte leichter wurden. Er sah sich um - unschlüssig, was nun zu tun war.
    Ein Schatz. Damit hatte er nicht gerechnet. Wenn er die Legenden richtig deutete, war es das Gold der Nibelungen.
    »So ist es«, sagte eine Stimme hinter dem Brunnen.
    Sigfinn riss sein Schwert hoch. »Wer spricht?«
    Ein kleiner Mann trat hervor, mit starken, vernarbten Muskeln und schwarzem Haar auf dem gedrungenen Haupt. »Zu sprechen ist nicht notwendig, aber wenn es dir leichter fällt, lass uns die Worte der Menschen benutzen.«
    Sigfinn ließ seine Klinge nicht sinken. »Noch einmal: Wer bist du?«
    Der kleine Mann sah wehmütig an sich herab. »Diesen Körper habe ich schon so lange nicht mehr getragen. Er ist schwer, aber gemütlich. Und so … kompakt.«
    »Ich bin Ragnar, Kurier an Hurgans Hof«, begann Sigfinn mit leicht bebender Stimme.
    »Bah«, winkte der Mann ab, »du bist Sigfinn von Island, Sohn von Christer, Nachfahre Siegfrieds von Xanten.«
    Er kam ein wenig näher, drückte die Klinge zur Seite und starrte Sigfinn von unten in die Augen. »Du erinnerst mich ein

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