Das Erbe Der Nibelungen
wenig an ihn. An Siegfried, meine ich. Er war größer als du, mit breiteren Schultern. Dafür hatte er einen etwas tumberen Schädel.«
»Zum letzten Mal - wer bist du?«
»Nenn mich Regin, wenn es dich nach einem Namen dürstet.«
»Was ist hier geschehen?«, fragte Sigfinn. »Hier unterlag Siegfried dem Drachen«, antwortete Regin. »Keine schöne Geschichte.«
»Keine wahre Geschichte«, widersprach Sigfinn. »Und wenn du meinen Vater kennst, dann weißt du es auch.«
Regin schüttelte den Kopf. »Draußen vor der Höhle kämpften sie. Siegfrieds Arm war stark, doch sein Geist war dem unseren nicht gewachsen. Wir nahmen ihm das Schwert und dann den Willen. Zu lange hat er auf das Gold geschielt, um den Drachen zu besiegen. Alle wollen sie immer nur das Gold.«
Sigfinn sah einen Ring auf dem Podest im Brunnen liegen, einen Helm und Münzen sonder Zahl.
Jemand klatschte. Langsam, respektvoll. Dann trat eine weitere Gestalt hinter dem Brunnen hervor. Schlank, dunkel gekleidet, in einer Kutte.
»Vom Blute Siegfrieds ist er, das ist kaum zu bestreiten«, sagte Gadaric. »Sein Geist war nicht zu verwirren, sein Schritt nicht aufzuhalten.«
Regin sah seinen Bruder mit unverhohlener Ablehnung an. »Er sollte nicht hier sein. Er hat das Recht auf Frieden in seiner Zeit.«
»Seine Zeit gibt es nicht mehr, und nun muss das Schicksal entscheiden, ob es ihn in dieser Zeit duldet - oder ausspuckt wie einen unverdaulichen Knochen.«
Regin trat einen Schritt von Sigfinn zurück. »Sei weiser als Siegfried.«
Keiner der beiden kleinwüchsigen Männer schien von Sigfinns Schwert auch nur im Geringsten beeindruckt.
»Wir könnten ihn gegen den Drachen antreten lassen«, schlug Gadaric vor.
»Das war Siegfrieds Prüfung«, widersprach Regin. »Vor hundert Jahren schon. Der Junge hier kam nicht, um Fafnir zu töten.«
Gadaric kam näher und nahm Sigfinn in Augenschein. Er schien seine Hand nach ihm ausstrecken zu wollen, zuckte aber dann doch zurück, bevor er die Brust erreichte. Sein Blick verriet etwas, das Sigfinn als Verwirrung auslegte.
»Wir können ihm nichts antun«, bemerkte Regin. »Das Drachenamulett schützt ihn vor unserem Einfluss.«
»Interessant«, murmelte Gadaric, doch sein Verdruss war leicht zu erkennen. »So steht die Frage im Raum - was will er, Sigfinn von Island?«
»Ich will die Dinge wieder so, wie sie waren«, antwortete Sigfinn. »Der Fluss der Zeit wurde umgeleitet und von euch verseucht, damit kein Leben mehr in ihm ist. Das zu ändern habe ich geschworen.«
Regin sah Gadaric an, und endlos diskutierten sie über Sigfinns Ansinnen, ohne dabei ein Wort zu sprechen. Ihre Geister tauschten sich aus, heftig und wütend. Es war schließlich Gadaric, der sprach: »Sigfinn von Island nehme sich, was er für sein Ziel für nötig hält.«
Sigfinn trat an den Brunnen heran und in ihn hinein. Seine Finger glitten über die Dinge, die er auf dem Podest fand. Schillerndes Gold wärmte seine Hände und leuchtete freundlich in seine Augen. Der Ring rief seinen Namen mit großer Innigkeit, versprach ihm ewige Treue und unendliche Macht.
»Das Gold macht dich zum Anführer, der Helm zum Krieger, der Ring zum Herrscher«, sagte Gadaric. »Nimm alles, nimm eines, nimm keins.«
Sigfinns Finger zuckten unsicher, griffen mal hier hin, mal dort. Kein klarer Gedanke ging mehr durch seinen Kopf. Im Gold sah er die Heere, mit denen er gegen Hurgan reiten konnte. Ihm mochte vergönnt sein, was dieses schwarze Jahrhundert Siegfried verwehrt hatte …
Eher zufällig bemerkte er neben dem Brunnen ein Schwert, dessen Klinge nicht golden glänzte. Achtlos war es beiseitegeworfen worden, seine Nutzlosigkeit unterstreichend.
Regin bemerkte den Blick. »Ja, das ist die Klinge des Schmieds, die er selbst auf dem Amboss unter den Hammer nahm.«
Nothung. Sigfinn kannte auch diese Legenden. Es war das Schwert der Götter, geschmiedet nur zu dem Zweck, allem Zauber eine Waffe entgegenhalten zu können. Sein Anblick brachte wieder Ordnung in seinen Kopf.
Gadaric stellte sich augenblicklich zwischen Sigfinn und das Schwert. »Das Gold ist dein. Es kauft dir tausend Schwerter.«
»Ich will das Schwert.«
»Das Schwert konnte schon Siegfried nicht helfen. Es ist nichts wert.« Sigfinn schüttelte den Kopf, als müsse er die Worte von Gadaric herausschleudern. »Das Schwert ist der Schlüssel.«
Er bemerkte, dass Regin nichts sagte, und vermutete darin stille Zustimmung.
»Mit dem Schwert in der Hand unterlag
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