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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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Es
dauerte nur Tage, da wünschte er sie beim Mahl an seiner Seite - Wochen, da fragte er erstmals nach ihrem Rat. Seine Ratgeber erfanden die Geschichte einer adeligen Familie aus Konstantinopel, deren Tochter »Byrin« war und die dem Statthalter aus Herzensnot nach Wenden folgte. Einige wussten, dass die Geschichte nicht wahr sein konnte, doch niemand stellte sie infrage. Aus der Sklavin wurde die Geliebte, aus der Geliebten die Gefährtin - und noch bevor das Kind, das nicht Laertes’ war, geboren wurde, machte er sie in einer kleinen Zeremonie zur Gattin. Laertes sprach zu seinem Volk dabei von Liebe. Aus Brynja wurde Byrin von Wenden. Keine Königin, aber Fürstin über ihre kleine Provinz - und ein kleines Heer. Kein Tag verging, an dem die Seherin nicht auf dem Burghof stand und der Hofstaat, blinder noch als sie, achtlos an ihr vorbeihastete. Keine Nacht, in der sie Brynja nicht sagte, was zu tun war, und ihr mit betörenden Worten von Sigfinn erzählte, der auf sie warten würde - wenn alles einmal getan war.
    Der Gedanke, ihrem Mann nur Lüge und Trugbild zu sein, tat Brynja manchmal weh. Hatte Laertes sie nicht immer nur gut behandelt? Hatte er ihr nicht mehr Respekt entgegengebracht als alle Männer vor ihm? Doch sie durfte so nicht denken. Laertes war wie Hurgan - das falsche Resultat eines erfundenen Jahrhunderts. Er war das Trugbild, er war die Lüge. Dem, was nicht sein durfte, war sie auch nicht verpflichtet. Es würde ihnen gelingen, die Zeit wieder so zu setzen, wie sie vorgesehen war. Dann würde Hurgan verschwinden, Fafnir, Burant - und Laertes.
    Und so gab sie dem Provinzfürsten Kräuter, um seinen Husten zu lindern. Sie hielt seinen Kopf an ihre Brust, wenn er zur Nacht Blut spuckte, und sehnte dabei sein schnelles Ende herbei.

    Das Mädchen, das Brynja nach nur acht Monaten zur Welt brachte, war vom Samen Calders, von der Seele Sigfinns und vom Recht Laertes’. Sie gab ihm den Namen Fynna und dachte sich eine lächerliche Geschichte aus, die dazu passte, obwohl sie nur an Sigfinn denken wollte, wenn sie den Namen sprach.
    Laertes empfing das Kind mit großem Herzen und einem Lächeln auf dem kränkelnden Gesicht. Natürlich hatte er sich einen Sohn erhofft, doch die ehrliche Liebe zu seiner Byrin ließ ihn die Erbfolge vergessen. Er war gerade kräftig genug, die Tochter noch einen Tag zu halten und seine Unterschrift unter die Dokumente zu setzen, die Byrin die Provinz überschrieben, bevor er starb.
    In nur einer Woche wurde Brynja Mutter und Herrscherin von Wenden. Das Volk begrüßte sie mit Freuden, und dem Kind wurden viele Geschenke gebracht.
    Zur Nacht stand Brynja an der Wiege und dachte daran, ihre Tochter zu ersticken. Ein Kissen, wenig Kraft, und Calders schmutzige Gier würde ihre Folgen verlieren. Als sie schwanger war, hatte sie nie so gedacht. Aber nun war das Mädchen da. Und es hatte Calders Augen.
    »Du wirst das Kind leben lassen«, sagte die Seherin. »Ist es von Belang?«, wollte Brynja wissen. »Ist meine Macht hier in Wenden nicht viel wichtiger?«
    »Darum geht es nicht«, rügte die Seherin. »Das Kind …«
    »Calders Kind«, ergänzte Brynja.
    »Nicht Calders«, widersprach die Seherin. »Dein Kind. Es wird sein, was du aus ihm machst. Wenn es etwas zu lernen gibt aus den Toten der Jahrhunderte, dann dies: nicht das Blut macht uns zu Helden oder Feiglingen. Es gibt keine Macht, es birgt keine Pflicht. Bring Fynna bei,
von edlem Herzen zu sein, stark und gerecht. Dann ist sie mehr Sigfinns Tochter als die Calders.«
    »Weißt du Neues von Sigfinn?«, wollte Brynja wissen, während sie das Mädchen aus der Wiege nahm, um es zu stillen.
    »Er lebt und ist in Worms«, antwortete die Seherin.
    »Das sagst du jedes Mal«, flüsterte Brynja enttäuscht.
    »Mehr zu sagen steht mir nicht zu.«
    Mit diesen Worten verschwand die Seherin. Brynja blieb mit dem Kind zurück. Fynna sah die Mutter selig an, und als sie sich wirklich anstrengte, konnte Brynja in ihrer Tochter die Züge Sigfinns erkennen.
     
    Sein Pferd war verschwunden, als Sigfinn aus dem Wald der Nibelungen trat. Er hatte keine Ahnung, ob er Stunden, Tage oder Wochen im Zauber der alten Götter verbracht hatte. Der kräftige Bart in seinem Gesicht sprach von vergangener Zeit, die ihm nicht bewusst war. Ansonsten hatte sich kaum etwas verändert. Nur das Schwert auf seinem Rücken war neu, schwerer und lebendiger.
    Also ging Sigfinn zu Fuß zurück nach Worms. War die Stadt vorher schon schmutzig und trostlos

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