Das Erbe der Pandora
Kreditkarte in eine Tasche. Toni
lief dicht hinter ihr.
Liz lehnte gegen Evans
Schreibtischecke, hatte eine Hand auf die anderthalb Meter hohe Trennwand
gelegt und die andere ungeduldig in die Hüfte gestemmt. »Sagt, er hätte zu
viele Dinge zu erledigen«, meinte sie, als Iris näher kam.
»Wird nicht akzeptiert«, sagte Iris
entschlossen. Sie bemerkte Evans offene Aktentasche auf dem Schreibtisch und
versuchte, sich ihr Interesse daran nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Ihr
Blick schweifte wider Willen dennoch immer wieder dahin. »Sie schlagen die
Einladung zu ein paar Drinks mit drei attraktiven Damen aus, von denen eine
sogar bezahlt?« Sie zog die Goldkarte heraus und wedelte damit herum.
Evan lächelte. Sein Mund zog sich auf
einer Seite etwas höher und vertiefte das entsprechende Grübchen, was ihm einen
verwegenen Gesichtsausdruck verlieh. Iris glaubte, einen verzückten Seufzer von
Toni zu hören, die neben ihr stand. Evans Charme entging auch Iris nicht, aber
sie versuchte, eine coole und professionelle Ausstrahlung beizubehalten.
Entweder das, oder sie würde sich pubertärem Gekicher hingeben.
»Ich nehme an, ich sollte etwas Zeit
darauf verwenden, meine Chefin besser kennenzulernen«, sagte er. »Und meine
Kollegen.«
Iris spürte, daß sie errötete. Liz sorgte
für eine willkommene Ablenkung, indem sie ihre manikürten Finger in Evans
Schulter krallte und ihn zum Spaß schüttelte. »So ist’s richtig. Es gibt
Zeiten, in denen sollte man arbeiten, und Zeiten, in denen man Spaß haben
sollte. Wir haben nichts für Workaholics übrig, nicht wahr, Iris?«
Iris tat so, als verschluckte sie sich
gerade.
»Nicht wahr, Iris?« beharrte Liz.
»Absolut.«
»Überredet«, sagte Evan, stand auf und
nahm seine Jacke von einem Bügel, der auf der Rückseite der Nische an einem
Haken hing. »Aber ich habe wohl auch gar keine andere Wahl, oder?«
»Evan, dies ist Toni Burton.«
Evan schüttelte die Hand, die Toni ihm
nur allzu gern entgegenstreckte.
Während Evan abgelenkt war, schaute
Iris etwas gezielter in seine Aktentasche. Nachdem sie solange dorthin gespäht
hatte, wie sie es wagen konnte, bemerkte sie, daß Liz sie beobachtete. Liz
zwinkerte ihr zu, und Iris fragte sich, ob ihre Freundin ahnte, was sie
vorhatte. Iris’ Wangen wurden bei dem Gedanken daran schon wieder rot. Dann
wurde ihr klar, daß ihr schlechtes Gewissen sich bemerkbar machte. Liz konnte
überhaupt nicht wissen, was in ihr vorging. Liz zwinkerte nur, um freundlich zu
sein. Sie zwinkerte ständig den Leuten zu. Sie ging das Leben an, als wäre es
eine einzige große Party und als stünde sie in dessen Zentrum.
»Was halten Sie denn alle von diesem
Zigarren-Fimmel?« fragte Toni.
»Es ist einfach grauenhaft «,
verkündete Liz auf ihre typische dramatische Art. »Wir müssen so eine
widerliche Angewohnheit der Leute wirklich nicht unterstützen.«
Evan zog seine Jacke an, und Iris sah
das Armani-Etikett.
»Ich freue mich darüber«, sagte Evan.
»Ich hab’ schon immer gern eine gute Zigarre geraucht. Bis jetzt wurde man von
den Leuten immer wie ein Aussätziger angeguckt, wenn man sich eine anzündete.«
Er scheute sich nicht, seine Meinung
zu sagen, auch wenn sie nicht populär war. Das gefiel Iris.
»Ich finde es witzig!« stimmte Toni
zu, die nicht außen vor gelassen werden wollte.
Iris sah, daß Evan die Hand auf seine
offene Aktentasche legte und sie zumachen — und damit wohl auch abschließen
—wollte.
»Ach, lassen Sie die doch hier!« sagte
sie zu ihm. »Ich gehe auch nur ein paar Minuten nach unten. Ich hab noch
Unmengen zu tun.«
Evan zögerte, doch bevor er sich
wehren konnte, hatte sich Liz bei ihm eingehakt und zog ihn über den Flur
hinaus. »Kommen Sie, geheimnisvoller Mann. Lassen Sie Ihre Arbeit hier.«
Toni eilte hinterher, um sich Evans
anderen Arm zu schnappen. Iris folgte ihnen.
»Geheimnisvoller Mann?« meinte Evan.
»So sehen Sie mich also?«
»So sehen wir Sie«, bestätigte Liz.
»Ist das der Eindruck, den Sie erwecken wollten?«
»Natürlich nicht«, protestierte Evan.
»Mein Leben ist ein offenes Buch und ziemlich uninteressant.«
»Hmm«, meinte Liz skeptisch.
»Hmm?« wiederholte Evan. »Was hat
dieses hmm zu bedeuten?«
»Es bedeutet, daß Sie zu oft
widersprechen.«
Per Tastendruck holte Iris den Aufzug.
»Was ist mit Ihnen, Iris?« fragte
Evan, um das Thema zu wechseln. »Rauchen Sie Zigarren?«
»O ja. Der Tag ist nicht perfekt, wenn
ich meinen langen Stumpen nicht
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