Das Erbe der Pandora
hinuntergefallen, wenn Kip es nicht aufgefangen
hätte.
Eine der Brünetten warf achtlos einen
Beutel aus Wachspapier mit Zwiebelringen neben das Hot-Dog auf die Theke, wobei
mehrere Ringe auf die dreckige Arbeitsfläche fielen. Die Dritte stellte ihm die
Cola vor die Nase.
Kip starrte die drei wütend an.
Sie erwiderten seinen Blick, knallten
mit ihren Kaugummis und ignorierten die anderen Kunden, die hinter ihm
mittlerweile Schlange standen.
Er hätte sich gern über ihre
Unhöflichkeit beschwert, wollte aber keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Er
beruhigte sich, indem er sich an Besuche bei Blue’s vor dem Mord an Bridget
erinnerte, als die Bedienung ebenso mürrisch gewesen war. Sie hatten ihn schon
Tausende Male so behandelt. Ihr Verhalten heute hatte nichts damit zu tun, daß
sie ihn für einen Mörder hielten, versicherte er sich. Er war zu empfindlich.
Aus dem Augenwinkel heraus sah Kip die
Leute, die hinter ihm warteten und die sich leise unterhielten. Er konnte nicht
verstehen, was sie sagten, aber er hörte das Gemurmel. Worüber konnten sie schon
reden wenn nicht über ihn? Was sonst konnte sie so beschäftigen? Er drehte sich
abrupt um. Er würde sie zur Rede stellen. Wenn sie etwas zu sagen hatten, dann
konnten sie es ihm ins Gesicht sagen. Eine Frau, die mit ihrem Mann über die
angebotenen Speisen diskutiert hatte, wich erschrocken zurück, als Kip sich so
unvermittelt umdrehte. Zwei Männer beachteten Kip überhaupt nicht, zeigten auf
die Menü-Tafel und redeten. Ein Mann, der direkt hinter Kip stand, sah ihn müde
an und wies mit einer Kopfbewegung zur Theke, um Kip zu deuten, daß er dort
etwas zu erledigen hatte.
»Was?« meinte Kip, als er sich wieder
der kräftigen Blondine zuwandte.
»Vier neunundachtzig!« knurrte sie ihn
an. »Sind Sie taub, oder was?«
»Oh.« Er zog sein Nylon-Portemonnaie
aus der Gesäßtasche seiner abgetragenen Levi’s, öffnete den Klettverschluß und
gab der Frau ein paar Scheine. Er nahm sein Essen und ging damit zu den
Picknicktischen und -bänken, die neben und hinter dem Laden unter einer
Aluminiummarkise standen.
»Frauenkiller.«
Kip drehte sich um und sah die
Blondine wütend an. »Was haben Sie gesagt?«
»Ihr Wechselgeld!« rief sie.
»Behalten Sie’s.«
»Wie großzügig.«
Kein Tisch war frei. Er ging zu einem
Platz am Ende eines Tisches, an dem bereits zwei Männer saßen, stellte sein
Essen ab und rutschte auf die Bank. Er sah, daß die beiden Männer zu ihm
schauten, und glotzte zurück, bis sie den Blick abwandten. Er packte seinen
Hot-Dog aus und biß hinein. Ein Klecks Chili tropfte von seinem Mund auf den
Tisch. Die beiden Männer packten die Reste ihres Essens zusammen. Kip nahm an,
daß sie fertig waren, sah dann aber, daß sie ein paar Meter weiter zu einem
anderen Tisch gingen. Einer der Männer sagte etwas zu den anderen, die dort
saßen. Langsam drehten sich alle zu ihm um und sahen ihn an, so wie man
neugierig und entsetzt an einer Unfallstelle gafft.
Kip wußte, daß er sich das nicht nur
einbildete. »Ich war’s nicht«, versuchte er zu erklären. »Ich habe meine Frau
geliebt.«
Sie schienen verblüfft, daß er etwas
zu ihnen gesagt hatte. Niemand antwortete. Sie fingen an, untereinander zu
flüstern. Ein paar Leute von anderen Tischen sahen nun auch zu ihm herüber.
Kip aß entschlossen seine Mahlzeit zu
Ende und wischte dabei den Chili und das Sauerkraut bis auf den letzten Krümel
mit seinen Zwiebelringen auf. Als er fertig war, sammelte er das schmutzige
Wachspapier, die Servietten und den leeren Trinkbecher zusammen, warf sie in
eine Mülltonne und ging langsam hinaus. Auf dem Bürgersteig kam er an einem
Mann vorbei, der seinen Ferrari bewunderte.
»Hübsches Gefährt«, meinte der Mann.
»Danke.« Kip lächelte dankbar
angesichts der kleinen Nettigkeit.
Der Mann redete weiter. »Es stimmt,
was man über die goldene Regel sagt. Derjenige, der das Gold hat, schreibt die
Regeln.«
Kip kletterte in den Ferrari. Das
Verdeck war heruntergelassen, er drehte sich herum und sah den Mann schief an,
um ihm zu verstehen zu geben, daß er nicht wußte, wovon er sprach.
»Die Gerechtigkeit der Reichen.«
Kip ließ den Motor des Ferraris
aufheulen und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
Kip zog an der dicken Glastür von
Pandora und hämmerte dann dagegen. »Warum ist diese Tür abgeschlossen,
verdammt?« schrie er. Er beantwortete seine Frage selbst. »Wegen der Leute, die
mich tot sehen wollen.« Er seufzte,
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