Das Erbe der Phaetonen
miteinander und selbst auf große Entfernung mit dem Schiff zu sprechen.
Belopolski prüfte persönlich den Planetenanzug jedes einzel- nen und gab die Erlaubnis zum Verlassen des Schiffs. Einer nach dem anderen betraten die sechs die Ausgangsschleuse. Die Innentür schloß sich, und Pumpen sogen schnell die Luft aus dem Raum. Jeder meldete Melnikow, daß die Sauerstoffzufuhr im Helm normal funktioniere. Dann drückte dieser auf einen Knopf.
Vier Meter unter ihnen breitete sich jungfräulicher Boden, den noch nie eines Menschen Fuß betreten hatte.
„Boris Nikolajewitsch!“ sagte Balandin zu Melnikow. „Sie sollten als erster den Planeten betreten. Sie sind der älteste Sternfahrer unter uns.“
Melnikow trat an die Schwelle der Tür. Wassili Romano- witsch erwartete, daß die Treppe ausgefahren würde, aber zu seiner Verwunderung tat der stellvertretende Expeditionsleiter einfach einen Schritt ins Leere. Seine Gestalt, die in dem Anzug riesenhaft wirkte, glitt langsam zu Boden. Nicht weniger als vierzehn Sekunden dauerte dieses seltsame Fallen.
Dem jungen Geologen fiel Orlows Vortrag über die Arsena ein, und ihm wurde das, was er gesehen hatte, verständlich. Die Anziehungskraft des Planetoiden war so gering, daß Melnikow nur mit einer Beschleunigung von 36 Millimeter in der Sekunde fiel.
Als zweiter sprang Wtorow. Er hatte es eilig, weil er die Ankunft auf der Arsena filmen wollte. Dann betraten auch die übrigen den unerforschten Boden.
Das Stehen fiel sehr schwer. Bei der geringsten Bewegung verloren die Männer das Gleichgewicht und wankten, wie von einem heftigen Wirbelsturm hin und her geschüttelt. Schleunigst schalteten sie die Sohlenmagneten ein. Der eisenhaltige Boden der Arsena haftete gut, und die Männer konnten nun sicher stehen. Um einen Schritt zu tun, mußten sie sogar ihre Bein- muskeln anspannen. Jedenfalls war die Gefahr gebannt, bei einer unvorsichtigen Bewegung in die Luft zu fliegen.
Wie vorher vereinbart, teilte man sich in zwei Gruppen. Pro- fessor Balandin, Romanow und Toporkow stellten die Geräte für die Radiobodenforschung auf. Mit ihnen sollte die Zusam- mensetzung der inneren Gesteinsschichten des Planeten ermit- telt werden. Melnikow, Korzewski und Wtorow hatten die Auf- gabe, das Gelände zu erkunden.
Kaum hatten sie sich ein wenig vom Schiff entfernt, da schlug drei Schritt vor ihnen geräuschlos ein Meteorit auf den Felsen auf. Sprühende Funken machten die Stelle kenntlich, an der er zu Boden gefallen war. Die drei Männer blieben unwillkürlich stehen. Ein einziger Gedanke durchfuhr sie: Wenn der Meteorit nun jemand von ihnen getroffen hätte?
Die Radioprojektoren waren jetzt ausgeschaltet. Sie konnten dem Schiff, solange es manövrierunfähig vor Anker lag, ja so- wieso nichts nützen.
„Gehen wir weiter!“ sagte Melnikow.
Am Rand des Plateaus fiel der Boden steil ab. Ein annähernd hundert Meter breiter Abgrund gähnte. Er ließ sich nirgends umgehen. So weit das Auge reichte, zog er sich durch das zer- klüftete Gebirge und verlor sich in der Ferne zwischen über- einandergetürmten Felsen.
„Wir müssen die entgegengesetzte Richtung einschlagen“, sagte Korzewski.
„Magneten ausschalten!“ befahl Melnikow. „Springt, als woll- tet ihr einen Meter weit springen. Auf der anderen Seite des Abgrunds sofort die Magneten wieder einschalten. Ich springe als erster.“
„Eine Sekunde!“ bat Wtorow. „Ihr Sprung muß gefilmt werden.“
Melnikow stellte durch einen Hebeldruck auf seiner Schalt- tafel den Strom ab, duckte sich und sprang vor. Sein Körper schwang sich hoch empor und flog behende über den Abgrund.
Korzewski und Wtorow hielten den Atem an, als sie Melni- kow auf dem gegenüberliegenden Felsen aufsetzen und langsam auf der glatten Fläche abrutschen sahen. Deutlich hörten sie ihn stoßweise atmen.
„Haben Sie sich weh getan?“ fragte Wtorow.
„Ja, sehr“, antwortete Melnikow. „Mir brummt sogar der Schädel. Ich bin zu kräftig abgesprungen. Springt ganz behut- sam. Als wolltet ihr auf der Erde nur einen Schritt tun.“
„Vorsichtiger sein!“ In den Helmen erklang Belopolskis Stimme. „Boris Nikolajewitsch, Sie werden wohl am besten an Bord zurückkehren, wie?“
„Nein“, antwortete Melnikow. „Ich bin nicht verletzt. Beim nächsten Mal werde ich mich mehr vorsehen. Na, worauf wartet ihr noch?“
Weitere Kostenlose Bücher