Das Erbe der Pilgerin
stellen, Herrin Sophia, wenn Ihr erst meine Gattin seid!«
»Ich will aber nicht Eure Gattin werden!«, brach es aus Sophia heraus.
Geneviève warf der jungen Fränkin einen Seitenblick zu. Die Albigenserin hätte zweifellos genauso reagiert, aber ein artiges Burgfräulein sollte sich in ihren Augen dennoch höfischer ausdrücken.
Mathieu grinste. »Da hört Ihr’s, Herrin Geneviève. Es steht mir wohl an, mich im Beherrschen eigensinniger Pferde zu üben. Umso leichter wird es mir fallen, dann auch mein Frauchen zu zähmen.«
»Hör da gar nicht hin«, wisperte Geneviève Sophia zu, die auf dem besten Weg schien, die Fassung zu verlieren. Ihr zartes Gesicht wechselte ständig zwischen Röte und Blässe, und in ihren Augen stand helle Panik. »Komm, lass Grandezza jetzt ein wenig die Zügel, dann wird sie schneller, und wir schließen zur Spitze auf. Da plauderst du ein wenig mit der Gräfin, in deren Beisein wird Herr Mathieu sich besser benehmen.«
Tatsächlich wandte sich die Gräfin Sophia sehr huldvoll zu, während sie Genevièves dunkles Kleid und ihren leeren Sattelknauf eher missbilligend betrachtete. Sie konnte die junge Frau zwingen, mitzureiten, obwohl Geneviève schon die Teilnahme an einer Jagd als Sünde empfand. Einen Falken auflassen würde sie jedoch nie und nimmer. Bevor sie das tat, würde sie sich um Unterstützung an den Grafen wenden. Was Leonor natürlich auf jeden Fall zu verhindern trachtete. Nun war die Gräfin an diesem Tag allerdings guter Dinge. Sie brauchte ihren Gatten nicht im Auge zu behalten, der saß sicher mit ihrem Bruder in der Halle. Natürlich mochte auch die Maurin eine Versuchung darstellen, aber die brachte zu jeder Beratung ihren Gatten mit, der sein Krummschwert zu führen wusste.
Leonor konnte sich also ganz auf ihre geliebte Falkenjagd konzentrieren, und sie dachte nicht daran, sich dabei durch Geneviève die Laune verderben zu lassen. Statt das Mädchen erneut zu tadeln, plauderte sie lieber noch ein wenig mit der artigen kleinen Sophia und machte ihr Komplimente, wie gut sie das recht schwierige Pferd doch schon beherrschte. Die Gräfin war eine äußerst beherzte Reiterin und wusste Mut auch bei ihren Mädchen zu schätzen.
Geneviève sah es eher mit Unwillen, wenn Sophia sich an Pferde herantraute, denen sie noch nicht wirklich gewachsen war. Für eine Parfaite war Reiten kein Spaß, sondern ausschließlich eine Möglichkeit, von einem Ort zum anderen zu kommen und mit der dortigen Gemeinde zu beten. Es bestand nicht der geringste Grund, sich in Gefahr zu begeben, indem man sich dabei nur um der Herausforderung willen auf junge oder schwierige Pferde wagte.
Die Jagdgesellschaft hatte die Stadt inzwischen verlassen und trabte durch Wiesen und Weinberge auf den Wald zu. Es war ein sonniger Sommertag – hier im Süden Frankreichs schon recht warm, nicht zu vergleichen mit den oft regnerischen, kühlen Maitagen in Lauenstein. Die Wege waren trocken, wenn auch etwas steinig, die Erde rot und fruchtbar. Gelegentlich ritten sie an Bauern vorbei, die ihre Felder bestellten. Sie grüßten, und die Gräfin warf ihren Kindern huldvoll kleine Münzen zu, wenn sie hinter und neben ihrem Zug herliefen und die glänzenden Pferde und die bunten Kleider der Damen bewunderten.
Mathieu hielt sich zwar immer noch in Sophias Nähe, wagte aber nicht, das Wort an sie zu richten, solange sie mit der Gräfin sprach. Flambert hatte sich im Zug zurückfallen lassen, wohl um seiner Schwester zu entkommen, aber da hatte er keine Chance. Geneviève ritt schon wieder neben ihm – und Sophia, die sich immer mal wieder nach ihm umsah, empfand fast etwas Mitleid mit dem jungen Troubadour. Die Gespräche zwischen den Geschwistern sahen schließlich meist so aus, dass Geneviève ihren Bruder zu seinen Fortschritten in der Kriegskunst examinierte, wenn sie ihm nicht gerade Vorwürfe zu seinem weltlichen Leben machte.
Schließlich erreichten die Reiter den Wald, und die ersten ließen ihre Falken auf. Wie immer führte dies dazu, dass sich die Gesellschaft zerstreute. Im Grunde war die Falkenjagd ein einsames Vergnügen, jeder Jäger hatte mit seinem Vogel genug zu tun. Adlige wie die Gräfin führten allerdings eigene Jäger und Falkenmeister mit sich, sodass sie nie ganz von der Jagd getrennt wurden, und die jüngeren Mädchen teilten sich ohnehin zu mehreren einen Falken. Die Ritter führten oft gar keine Vögel mit sich, sondern beschränkten sich auf die Begleitung der Damen. Aber
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