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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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versammelten sich trübsinnig um Sophias Krankenbett. All das trug nicht dazu bei, ihn Mathieu gegenüber milde zu stimmen.
    Raymond befahl den Ritter zu sich, rügte ihn scharf und verwies ihn des Hofes. Mathieu hatte sich inzwischen wieder gefasst, zumal das Mädchen ja am Leben war. So trat er dem Grafen selbstbewusst entgegen wie gewohnt.
    »Ihr werdet das bereuen, Herr!«, erklärte er anmaßend. »Wollt Ihr nicht ein Heer aufstellen gegen Simon de Montfort? Aber vorher entlasst Ihr Eure besten Ritter?«
    Graf Raymond schnaubte. »Der Hof von Toulouse bringt in jedem Jahr hervorragende Ritter hervor!«, sagte er stolz. »Ebenso wie der Hof von Aragón und die Burgen all unserer Verbündeten. Ganz Okzitanien, Herr Mathieu, ist ein Hort der besten Ritter! Und das auch dank der Tugenden der Maße und Demut, die sie im Dienst an den Frauen erwerben! Einen Ritter, der nur seinen Leidenschaften folgt, kann ich nicht brauchen. Also sucht Euch einen anderen Wirkungsbereich, Herr Mathieu – bevor das Mädchen aufwacht und Euch womöglich schlimmerer Dinge beschuldigt als nur des Mangels an Höfischkeit!«
    Mathieu de Merenge zuckte die Schultern. »Wenn Ihr es so seht, Herr, dann werde ich eben gehen. Aber wer weiß, welche Regeln in ein paar Jahren in Okzitanien herrschen? Vielleicht die der heiligen Kirche: Die Frau sei dem Manne untertan. Womöglich hole ich sie mir dann doch noch, die kleine Sophia von Ornemünde!«
    Der Ritter war hinaus, bevor Raymond etwas erwidern oder gar sein Schwert ziehen konnte. Der Graf überlegte kurz, ihm nachzusetzen, befand das dann aber als unter seiner Würde. Er glaubte auch nicht, dass sich Mathieu wirklich dem Kreuzzug anschließen würde. Sein Vater war ein treuer Anhänger des Grafen und sein Lehen voller Albigenser. Mathieu würde mit seiner Familie und seinen Freunden brechen müssen, und womöglich verlor er sein Land. Raymond schüttelte den Kopf. Ein Heißsporn, nichts weiter. Auf Dauer würde er zur Vernunft kommen, und vielleicht focht er schon bald mit der Ritterschaft seines Vaters erneut auf der Seite des Grafen.
    »Was ist denn das für ein Medikus, auf den Ihr solch große Hoffnungen setzt? Ein Albigenser?«
    Die Maurin wandte sich an Geneviève, nachdem sie zum wiederholten Mal ein Tuch angefeuchtet und auf Sophias Stirn gelegt hatte. Zuerst hatte das Mädchen unterkühlt gewirkt, aber jetzt schien es zu fiebern. Miriams begrenzte Kenntnisse der Medizin waren ausgeschöpft, aber andererseits brachte sie auch christlichen Ärzten kein großes Vertrauen entgegen. Die besten Mediziner ihrer Zeit kamen aus Al Andalus oder dem Land der Sarazenen – und viele jüdische Ärzte pilgerten dorthin, um die Heilkunst zu erlernen. Die Christen dagegen schien das nicht sonderlich zu interessieren. Sie beschränkten sich auf Aderlässe und Gebete – die meisten Kräuterfrauen in den Dörfern verstanden mehr von Medizin als die hochgelehrten Herren, die an den Universitäten studierten.
    Geneviève zuckte die Schultern. »Nein, kein Albigenser. Aber wohl auch kein Anhänger des Papstes. Manchmal denke ich, er glaubt an gar nichts. Oder an gar nichts mehr … Aber er versteht seine Kunst, Herrin! Wenn er sie nicht heilen kann, dann niemand.«
    Miriam zog die Augenbrauen hoch. »Dann hoffen wir mal, dass er auch ein schneidiger Reiter ist«, meinte sie. »Nicht dass er zu spät kommt. Es gefällt mir nicht, dass sie so lange schläft. Wenn sie wenigstens mal etwas murmeln würde oder sich irgendwie regen …«
    Als das Fieber im Laufe der Nacht stieg, bestätigte sich zumindest die Hoffnung, dass Sophia nicht gelähmt war. Sie stöhnte jetzt und bewegte sich, aber zu Bewusstsein kam sie nicht. Miriam ließ sie ungern allein, als der Graf und der König sie gegen Morgen rufen ließen, um ihnen eine Sternkonstellation zu deuten.
    »Der große Wagen!«, seufzte sie, als sie sich Stunden später zu einem kleinen Frühstück mit ihrem Gatten zurückzog. »Der steht jede Nacht am Himmel. Aber in dieser hat den Herren wohl der Wein den Blick getrübt – oder aufgeklart, wie man’s sehen will. Sie haben das Sternbild ganz neu entdeckt …«
    Abram grinste. »Du hast es jedenfalls sehr hübsch ausgedeutet, ein Gefäß voller Schätze und Gnaden, die dem Verteidiger der Armen und Witwen und Waisen zufallen werden. Wahre Ritterlichkeit wird belohnt werden. Wie kommst du bloß immer auf so was? Mir fiel dazu nur der Schinderkarren ein, auf dem Lancelot mitfahren musste, weil Guinevere es als

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