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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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geht nach England, und er will, dass ich mit ihm komme.«
    Miriam von Wien war nur schwer aus der Fassung zu bringen, aber jetzt hielt sie sich nicht mit Vorreden auf, als sie zu ihrem Gatten und seinem Oheim stieß. Die beiden erwarteten sie in den Räumen des Medikus vor einem Feuer, es war ein kühler, verregneter Frühlingstag. Abram und Salomon tranken heißen Würzwein, um sich warm zu halten – während Miriam erhitzt genug wirkte, als sie verspätet hereinstürmte.
    »Und das trotz deiner katastrophalen letzten Weissagungen?«
    Salomon scherzte, aber seine Augen blieben kalt. Die Männer, deren Verletzungen er bis heute versorgte – auch noch ein halbes Jahr nach der Schlacht von Muret eiterten Beinstümpfe und schwärten Wunden –, waren Opfer von Miriams missglückter Sterndeuterei. Und auch das Exil des Hofes von Toulouse in der unbedeutenden Grenzfestung Montalban verdankten alle dem verlorenen Kriegszug des Grafen von Toulouse gegen die Kreuzfahrer unter Simon de Montfort.
    Miriam zuckte die Schultern. »Nun gebt mir nicht die Schuld, Herr Gérôme!« Alle drei verwandten möglichst ihre Decknamen, selbst dann, wenn sie unter sich waren. »Wir hatten über zweitausend Berittene und fast zehntausend Mann zu Fuß. Konnte ich ahnen, dass Montfort sie mit einem Heer schlagen würde, das dreimal kleiner ist?«
    »Und Miriam hat den Grafen sehr weise beraten!«, unterstützte Abram seine Frau.
    Tatsächlich hatte Raymond ganz gegen seine sonstige Art eine eher defensive Taktik im Kampf gegen die Kreuzfahrer um Simon de Montfort vorgeschlagen. Seine Verbündeten, der König von Aragón und der Graf von Foix, hatten ihn allerdings überstimmt. Ihr Angriff auf die von Montfort gehaltene Stadt Muret war dann in einem Blutbad geendet.
    »Die Sterne hätten besser den Ratschlag geben sollen, dass man sich auf einen Heerführer einigt, bevor man in den Krieg zieht«, stichelte Salomon weiter. »Und dass man seinen Gegner nicht unterschätzt. Mal ganz abgesehen von der allgemeinen Überbewertung von Ritterlichkeit.«
    Abram lachte bitter. »Die kann man Raymond eigentlich nicht vorwerfen.«
    »Aber König Peter, was wieder niemand voraussehen konnte!«, trumpfte Miriam erneut auf. Der König hatte Raymonds vorsichtige Strategie mit dem Hinweis auf die ritterlichen Tugenden abgelehnt. Er beharrte auf Frontalangriff, ein Fehler, den er letztlich mit dem Leben bezahlte. Als einer von Simon de Montforts Rittern den Herrscher von Aragón erschlug, war die Schlacht beendet. »Also, wollt ihr jetzt hören, was Graf Raymond plant, oder nicht?«
    »Ich kann’s mir schon denken«, bemerkte Abram. »Der Kerl hängt sein Mäntelchen nach dem Wind und flieht nach England. Während Montfort sich an den Albigensern schadlos hält.«
    »Es sind so ziemlich alle rechtzeitig aus Toulouse herausgekommen«, meinte Miriam. Die Garnison der Stadt hatte Vernunft bewiesen und nicht gegen die Kreuzfahrer gekämpft. Stattdessen hatte man die Zeit zwischen der Schlacht von Muret und Montforts Marsch auf Toulouse genutzt, so viele Albigenser und Juden wie möglich in Sicherheit zu bringen. Die Stadt hatte sich dann ergeben und blieb vom Schlimmsten verschont, während Montfort die Grafschaft Foix verwüstete. Aber nun drängten sich die Flüchtlinge in kleinen Orten wie Montalban und warteten auf die Entscheidung des Grafen. »Raymond bleibt doch gar nichts anderes übrig«, fuhr Miriam fort. »Was soll er machen? Die überlebenden Ritter von Aragón sind nach Hispanien zurückgekehrt, das Heer von Toulouse und Foix aufgerieben. Der Einzige, der ihm jetzt noch Truppen stellen könnte, ist König Johann.«
    »Warum sollte er?«, fragte Salomon. »Ja, gut, er ist allgemein schlecht zu sprechen auf die Franzosen und sieht vielleicht eine Chance, die Besitzungen der Plantagenets zurückzuerobern. Aber andererseits ist das schon so oft misslungen – man könnte meinen, es reiche ihm.«
    »Auf jeden Fall sind der Graf und die Gräfin Leonor in England sicher«, meinte Miriam. »Und ihr Hof …«
    »Den wollen sie mitnehmen?«, fragte Salomon skeptisch. »All die Ritter und Knappen und Pagen und Mädchen?«
    »Jedenfalls will Raymond meine Frau mitnehmen«, bemerkte Abram. Das war die Angelegenheit, die ihn am meisten beschäftigte. Er wandte sich an seine Frau. »Du denkst nicht wirklich daran, mitzugehen, oder?«
    Miriam rieb sich die Schläfe. »Er braucht vernünftige Ratgeber.«
    Abram verdrehte die Augen. »Dann soll er sich welche

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