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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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die Sonne aufgeht, marschieren wir weiter.«
    »Wie furchtbar!« Bestürzt setzte sich Ajana nun doch auf das Wasserfass.
    »Ja, es ist furchtbar!«
    Überrascht gewahrte Ajana echten Schmerz in der Stimme des jungen Falkners und erinnerte sich daran, wie er während des Rittes auf sie gewirkt hatte. Gewissenhaft und stark. Ein Mann, der ihr durch seine Ausdauer und Kraft wie kein anderer das Gefühl vermittelt hatte, in Sicherheit zu sein, der aber gleichzeitig keine Scheu hatte, sich ihr gegenüber sanft und einfühlsam zu zeigen. »Waren Freunde von dir darunter?«, fragte sie leise.
    »Wer keines Blutes ist, findet nur schwer Freunde in Nymath«, erklärte Keelin knapp, ohne näher darauf einzugehen. »Aber es waren viele darunter, deren Namen ich kannte.«
    Onur, Uzoma, Heermeister, Nymath. Ajana war zutiefst verwirrt von all diesen Begriffen, deren Bedeutung ihr fremd war. Doch sie wollte sich die Unsicherheit auf keinen Fall anmerken lassen und sagte nur: »Das tut mir Leid.«
    »Es ist das grausame Gesicht des Krieges, dass jene sterben, die unschuldig sind.« Keelin stieß eine große, frostige Atemwolke aus und schaute zum Himmel hinauf, wo sich in einer Wolkenlücke ein einsamer Stern zeigte. »So viele Tote sind zu beklagen«, sagte er bekümmert. »So viel Leid und Elend zu erdulden.«
    Ajana schwieg. Was sollte sie darauf antworten? Sie wusste nichts über das Land, die Menschen und den Krieg. Sie wusste ja nicht einmal, wie sie hierher gekommen war. Jedes Wort, das sie sagte, konnte Keelin misstrauisch machen und Fragen heraufbeschwören, die sie noch nicht zu beantworten bereit war. Es war schon mühsam genug gewesen, den neugierigen Fragen der Heilerinnen auszuweichen, die ihre ungewöhnliche Kleidung aufmerksam begutachtet hatten. Aber immerhin war es ihr gelungen, das Amulett unbemerkt in der Tasche des bestickten Wamses verschwinden zu lassen.
    Das Amulett … Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr erschien es ihr, als lägen in ihm tatsächlich die Antworten zu all den ungelösten Rätseln verborgen. Antworten, die sie nur finden konnte, wenn sie sich jemandem anvertraute.
    Ajana schaute zu Keelin hinüber.
    Frag ihn , wisperte ihr eine leise Stimme zu. Du kannst ihm vertrauen.
    Ajana zögerte.
    Wo bin ich? Wer seid ihr? Wie bin ich hierher gekommen?
    Unzählige Fragen brannten ihr auf der Zunge und drängten nach draußen. In Unkenntnis eine fremde Welt bestehen zu müssen, wurde unerträglich. Aber sie fürchtete sich vor dem, was geschehen mochte, wenn sie ihm von ihrer Welt erzählte.
    Du kannst ihm vertrauen.
    »Keelin?« Ajana nahm all ihren Mut zusammen, erhob sich und trat neben den jungen Falkner. »Keelin, ich muss dir etwas sagen.«
    »Ja?« Der junge Falkner schien zu spüren, dass ihr Tonfall wohl der Auftakt zu etwas Besonderem war, das ihr nur schwer über die Lippen kam und ihr viel abverlangte. »Was bedrückt dich?«, fragte er, und sein Blick war voller Wärme.
    »Keelin, ich …« Plötzlich verließ Ajana der Mut, und sie sah beschämt zu Boden.
    »Keelin! Ajana!« Bayards dunkle Stimme hallte durch die Nacht. »Gut, euch hier zu finden. Ich fürchtete schon, euch in dieser elendigen Dunkelheit endlos suchen zu müssen.« Neben dem Wagen der Heilerinnen schälte sich die stämmige Gestalt des Heermeisters aus den Schatten. Dann trat er in den flackernden Lichtschein der Laternen, die zu beiden Seiten des Wagens angebracht waren, um Hilfesuchenden den Weg zu weisen. Ihm folgte eine Frau, deren schlanke, hoch gewachsene Gestalt in einen langen, dunklen Umhang gehüllt war. Die Kapuze trug sie so weit über den Kopf gezogen, dass man ihr Gesicht kaum erkennen konnte.
    »Ajana, hier ist jemand, der dich zu sprechen wünscht.« Er deutete auf seine Begleiterin, die in diesem Augenblick die Kapuze zurückschob und Ajana ein freundliches Lächeln schenkte. »Das ist Inahwen vom Blute der Elben«, sagte Bayard und wandte sich Ajana zu. »Und das ist Ajana, die junge Frau, die wir in Lemrik aus den Händen der Uzoma befreit haben.«
    Ajana brachte kein Wort über die Lippen. Unfähig, den Blick abzuwenden, starrte sie die anmutige Gestalt mit den spitz zulaufenden Ohren und langen hellen Haaren neben Bayard an. Das fein geschnittene Gesicht mit den schmalen Lippen und den hellblauen, leicht geschlitzten Augen war makellos. Es hatte den Anschein, als wäre sie kaum älter als zwanzig, doch in ihrem Blick schienen das Wissen und die Weisheit von Jahrhunderten zu liegen. Ajana

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