Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
brannte wie Feuer in den offenen Wunden, doch Maylea blieb nicht die Zeit, sich darum zu kümmern.
Für Bruchteile eines Augenblicks schien selbst die Zeit den Atem anzuhalten. Dann sprang der Dunkelschleicher vor.
Maylea spürte die Gefahr, noch ehe sich ihr Blick klärte. Instinktiv duckte sie sich, um dem Tier auszuweichen. Dabei streiften ihre Finger den schlanken Hals des zerbrochenen Gefäßes, das unmittelbar neben ihr im Sand lag. Ohne zu zögern ergriff sie das Bruchstück und riss den Arm abwehrend in die Höhe. Im gleichen Augenblick war der Dunkelschleicher auch schon über ihr … Die Zeit schien ihre Bedeutung zu verlieren. Maylea sah das geöffnete Maul mit den Reißzähnen auf sich zukommen und spürte den brennenden Schmerz, als die Krallen blutige Striemen in ihren ungeschützten Arm rissen. Ein gellender Schrei entfloh ihren Lippen, und sie riss in Panik die Augen auf. Doch der tödliche Biss blieb aus. Mit einem hässlichen Geräusch bohrten sich die scharfen Zacken der Scherbe tief in die ungeschützte Bauchdecke des Angreifers. Ein Schwall warmen Blutes ergoss sich über Maylea, die sich blitzschnell zur Seite warf, während der Dunkelschleicher gequält aufjaulte. Die Pranken durchschnitten die Luft in kurzen, zuckenden Bewegungen, dann fiel er wie ein Stein zu Boden und rührte sich nicht mehr.
Für den Bruchteil eines Herzschlags schien alles wie erstarrt.
Nichts regte sich.
Maylea rang um Atem. Das Erste, was sie bewusst wahrnahm, war das warme Blut der Bestie auf ihrem Arm. Fassungslos starrte sie auf die rettende Scherbe in ihrer Hand. Was geschehen war, erschien ihr wie ein Wunder. Aber schon im nächsten Augenblick griffen die Dunkelschleicher erneut an.
Maylea machte sich bereit. Mit der gesunden Hand umfasste sie die Scherbe so fest, dass die Knochen weiß hervortraten. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein entschlossener Ausdruck. »Kommt her!«, rief sie herausfordernd. »Wer will der Nächste sein?«
Wer will der Nächste sein? Fast glaubte Maylea bei diesen Worten höhnisches Gelächter im allgegenwärtigen Knurren der Dunkelschleicher zu hören. Sie hatte Glück gehabt, mehr nicht. Ein zweites Mal würden sich die Bestien nicht täuschen lassen.
Sie war allein. Die Lage war aussichtslos. Dennoch fühlte sie so etwas wie Triumph. Sie hatte eine Waffe. Wenn sie sterben musste, dann nicht allein.
Ein scharrendes Geräusch ließ die junge Wunand herumfahren. Sie hatte die Bewegung noch nicht vollendet, als ein gewaltiger schwarzer Körper aus der Dunkelheit auf sie zu schoss.
Maylea duckte sich. Mit einer halben Drehung gelang es ihr, dem heranstürmenden Ungetüm auszuweichen und ihm die scharfen Spitzen der Scherbe in die Flanke zu stoßen, doch die Wucht des Aufpralls riss ihr die primitive Waffe aus der Hand und schleuderte sie fort.
Der jungen Wunand blieb keine Zeit, danach zu suchen, denn schon senkte sich ein weiterer schwarzer Schatten auf sie herab. Maylea schrie auf und riss den Arm abwehrend in die Höhe, während sie gleichzeitig einen Schritt zurückwich und sich zusammenkauerte. Dann war die Bestie auch schon über ihr. Der Aufprall des riesigen Körpers warf sie zu Boden, die spitzen Krallen bohrten sich tief in ihre ungeschützte Haut. Das geifernde Maul weit geöffnet, näherten sich die dolchartig gebogenen Reißzähne des Dunkelschleichers ihrer ungeschützten Kehle.
Schreiend bäumte sie sich auf und versuchte den Angreifer abzuwehren, während sich das Untier in ihren Arm verbiss. Die Wunand spürte den beißenden Schmerz und den hechelnden Atem an ihrer Wange, doch ihre Kräfte reichten nicht aus, um sie aus der tödlichen Lage zu befreien. Das Gewicht des Raubtiers schnürte ihr die Luft ab, während seine kräftigen Kiefer die Knochen ihres rechten Arms zu zermalmen drohten.
Warmes Blut rann über ihr Gesicht. Sie wusste, dass es ihr eigenes war, doch die Todesangst verdrängte jeden Schmerz. Sie spürte nichts, nur den unbändigen Drang zu überleben. Sie wollte nicht sterben, nicht hier, nicht so, und schon gar nicht …
Plötzlich ertönte über ihr ein sonderbar zischender Laut, dem das Geräusch eines dumpfen Aufpralls folgte. Der Dunkelschleicher heulte auf, und der Furcht einflößende Schatten des Raubtiers verschwand aus Mayleas Blickfeld.
Dann war es still.
Mitten in der Nacht schreckte Keelin aus unruhigem Schlaf auf. Der junge Falkner war augenblicklich hellwach.
Horus!
In seinen Ohren hallte noch der vertraute Pfiff des
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