Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
Falkner entging nicht, was sie gerade tat. Er gab ihr jedoch mit einem kurzen Kopfnicken zu verstehen, dass er damit einverstanden war.
Als Ajana sich wieder davonschleichen wollte, bemerkte sie, dass Faizah sie anschaute. Die junge Kurvasa schenkte Ajana ein Lächeln und flüsterte: »Danke.«
Ajana lächelte zurück. »Gern geschehen.« Sie wollte sich umwenden und zu ihrem Platz zurückhuschen, als sie aus den Augenwinkeln plötzlich eine Bewegung inmitten der Höhle gewahrte. Sie war nicht wirklich greifbar, wie man sie von einem Menschen oder einem Tier kannte, es war eher eine Ahnung, als hätten die Schatten an dieser Stelle fließend ihre Form verändert. Ajana hielt inne und starrte mit klopfendem Herzen dorthin, wo sie die Bewegung gesehen hatte. Doch diesmal blieb alles ruhig.
»Was ist los?«, hörte sie Faizah hinter sich flüstern.
»Nichts!« Ajanas Blick haftete noch immer auf der Stelle, an der sie die schattenhafte Bewegung vermutete. Ihr Herz klopfte wie wild. Sie wartete. Doch was immer sie erblickt hatte, es wiederholte sich nicht.
»Ich sehe schon Gespenster«, murmelte sie kopfschüttelnd und verdrängte den seltsamen Vorfall. Der Mangel an Schlaf forderte offenbar schon jetzt seinen Tribut und gaukelte ihr eigenartige Dinge vor. Sie hatte den Gedanken nicht zu Ende geführt, da drang ein befremdlicher Laut an ihre Ohren, der sie aufhorchen ließ: ein leises Scharren wie von winzigen huschenden Füßen, und dann …
»La-la, la-la …« Die Laute waren verhalten und so leise wie das Fiepen einer verängstigten Maus. Doch in der Stille der Höhle waren sie deutlich zu vernehmen.
Das Scharren wurde lauter.
»La …« Diesmal erklang der Ruf schon sehr viel näher, und Ajana bemerkte, dass Faizah wie zur Antwort leise schnalzende Geräusche von sich gab. Neugierig blickte sie sich um und sah, wie etwas Kleines, Helles mit flinken Sätzen über den Boden huschte und auf Faizahs Schulter sprang.
Ajana starrte Faizah an. »Was ist das?«, flüsterte sie und deutete auf das kleine Pelzknäuel. Mit der spitzen Nase und den schwarzen Knopfaugen erinnerte es stark an einen langhaarigen Hamster, wenngleich es sich eher wie ein Eichhörnchen fortbewegte und einen ebenso buschigen Schwanz besaß.
»Das ist La«, flüsterte Faizah ihr zu. »Ein Lavinci.«
»Ein Lavinci?« Nachdenklich wiederholte Ajana das fremde Wort und erinnerte sich plötzlich wieder daran, dass sie die putzigen Pelztierchen schon einmal gesehen hatte. »Ein Baumhörnchen«, sagte sie und streckte die Hand aus, um das Lavinci zu streicheln.
Das Lavinci schnupperte neugierig an Ajanas Finger.
»Es ist hungrig«, sagte Faizah und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung des Tunnels, durch den sie gekommen waren. »Meine Vorratstasche und der Beutel, in dem das Lavinci geschlafen hat, liegen da drüben hinter dem Felsen. In der Tasche sind Pacunüsse, die isst es am liebsten.«
»Ich hole sie.« Ajana, die Tiere über alles liebte, zeigte sich sogleich hilfsbereit. So leise, dass sie niemanden weckte, huschte sie davon, um die Tasche zu holen.
Als sie zurückkehrte, stand Keelin neben Faizah und hielt das Baumhörnchen in den Händen. »Du musst noch sehr viel lernen«, wandte er sich kopfschüttelnd an Ajana. Die Worte klangen streng, aber es lag kein Vorwurf in seiner Stimme.
»Was meinst du damit?« Ajana schaute ihren Freund verständnislos an.
Keelin fasste das Lavinci vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger am Nackenfell und hielt es Ajana vor die Nase. »Sieh mal genau hin!«, forderte er sie auf.
Ajana betrachtete das Pelzknäuel, das sich in Keelins Griff völlig reglos verhielt, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. »Es hat lange Zähne, wie alle Nager«, stellte sie schließlich achselzuckend fest, um überhaupt etwas zu sagen.
»Eben!«
»Eben?« Ajana wusste nicht, worauf Keelin hinauswollte. »Wie meinst du das?«
»Lavincis sind äußerst gelehrige und kluge Tiere. So mancher Beutelgreifer, hat es mit ihrer Hilfe schon zu einem ansehnlichen Wohlstand gebracht, denn die Tierchen sind sehr verspielt und lieben es, ihren Herren kleine Aufmerksamkeiten zu bringen.«
»Beutelgreifer?«, fragte Ajana.
»Das sind Schurken, die ehrlichen Menschen den Münzbeutel stehlen«, erklärte Keelin ernst.
»Aber was hat das …?«
»Warte!« Keelin hob mahnend den Zeigefinger. »So wie die Schurken den Lavincis kleine Gefälligkeiten beibringen, könnte dieses harmlos wirkende Tierchen mit seinen winzigen
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