Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
Höhe und schaute sich um. »So etwas gibt es hier nicht.«
»Aber er war da!«, beharrte Maylea. »Ich habe ihn gesehen, nur ein paar Schritte entfernt.«
»Hier lagen nur drei tote Gynt und das hier.« Vorsichtig hob Oona eine durchsichtige Scherbe vom Boden auf. »Vielleicht hast du geträumt.«
»Er war da.« Maylea war sich ihrer Sache ganz sicher. »Der Pferdeschädel und eine Gestalt in einem langen dunklen Umhang, die …« Plötzlich stutzte sie, schaute Oona an und fragte: »Sag mal, wie hast du mich überhaupt gefunden?«
»Ylva sandte uns aus, nach dir zu suchen«, erklärte Oona knapp.
»Uns?« Maylea schaute sich um. Wohin sie auch blickte, erstreckten sich die sanften Hügel der kargen Steppenlandschaft im Sonnenlicht. Dahinter, weit im Süden, erhoben sich die schneebedeckten Gipfel des Pandarasgebirges aus dem Dunst des Morgens, doch von Oonas Begleitern war weit und breit nichts zu sehen.
»Wir waren zu viert«, erklärte Oona, schien jedoch zu bemerken, dass Maylea die Antwort nicht zufrieden stellte, und fügte hinzu: »Die anderen haben die Kadaver der getöteten Gynt bei Sonnenaufgang ins Tal geschafft. Der Winter kommt mehr als einen Silbermond zu früh. Die Felle und das Fleisch sind sehr wertvoll für uns, doch das Fleisch verdirbt schnell … Mir oblag es, bei dir zu bleiben, bis du erwachst, schließlich …« Sie machte eine Pause und fuhr dann mit gedämpfter Stimme fort: »… war es meine Gan-Goa, die dich am Kopf traf.«
»Am Kopf?« Vorsichtig strich Maylea sich mit der Hand durch die Haare. »Emos zornige Kinder«, entfuhr es ihr, als sie die dicke, blutverkrustete Schwellung am Hinterkopf ertastete.
»Verzeih.« Oona schaute beschämt zu Boden. »Ich wollte dich nicht verletzen, aber der Gynt war bereits über dir und …«
»Schon gut.« Maylea gelang ein Lächeln. »Zeigst du sie mir?«
»Wen?«
»Die Gan-Goa.«
»Ja, sicher.« Oona löste zwei faustgroße, glatt geschliffene Steinkugeln, die mit einem langen Seil untereinander verbunden waren, von ihrem Gürtel und reichte sie Maylea. »Wir nehmen sie zur Jagd und zur Verteidigung«, erklärte sie.
»Eine eigenartige Waffe.« Maylea wog die Kugeln neugierig in den Händen. Sie waren schwer und schienen durchaus geeignet, einem Gegner das Bewusstsein zu rauben. Als Waffe schienen sie ihr jedoch kaum tauglich. »Wie setzt man sie ein?«
»Ich zeige es dir, wenn wir im Tal sind.« Oona warf einen raschen Blick zum Himmel. »Der Morgen ist schon weit vorangeschritten«, sagte sie in einem Ton, der deutlich machte, dass sie aufbrechen mussten. »Fühlst du dich kräftig genug, um zu reiten?«
»Es wird schon gehen.« Noch während sie das sagte, bemerkte Maylea, dass es ihr tatsächlich schon sehr viel besser ging. Sie hatte kaum noch Schmerzen, und auch der Hunger war verschwunden. »Bist du eine Heilerin?«, fragte sie erstaunt.
»Eine Heilerin? Nein.« Oona schien belustigt. »Es ist das Wasser. Es stammt aus einer Quelle mit heilenden Kräften.«
»Unglaublich.« Maylea versuchte aufzustehen, fühlte sich jedoch so schwach, dass sie den Versuch gleich wieder aufgab. Für eine kurze Weile kämpfte sie gegen ein heftiges Schwindelgefühl an, dann sah sie sich um. »Wo ist dein Pferd?«, fragte sie.
»Ich habe keines.«
»Aber wie …?«
Oona lächelte, legte den Finger auf die Lippen und bedeutete Maylea zu schweigen. Dann schürzte sie die Lippen und stieß einen kurzen Pfiff aus.
Die Fliege war nicht mehr zu sehen.
Es klopfte.
Zaghaft und leise, ganz so, als fürchte der Ankömmling, dass jemand öffnen könne, berührten die Finger das Holz der Tür.
Vhara schreckte aus ihren Gedanken auf, öffnete und blickte in das ängstliche Gesicht eines Uzomaknaben, der vor der Tür wartete. »Was gibt es?«, herrschte sie ihn an.
»Herrin?« Der dunkelhäutige Junge senkte demütig das Haupt mit dem kurz geschorenen schwarzen Haar. Er war völlig außer Atem. »Herrin, man schickt mich, Euch mitzuteilen, dass …« Er stockte, als furchte er sich davor, die Botschaft auszusprechen.
»Was? Nun rede schon!« Auf Vharas Stirn zeichnete sich eine steile Falte ab. Der eigentümliche Tonfall des Boten verriet ihr, dass etwas Unvorhergesehenes eingetreten war.
»Ihr müsst Euch wappnen, Herrin«, stieß der junge Uzoma hastig und ohne aufzuschauen hervor. Dabei knetete er unablässig die Hände. »Ihr müsst fliehen!«
»Wappnen? Fliehen?« Vhara machte eine ungeduldige Handbewegung. »Was redest du da für
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