Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
feurigem Blick. »Er wäre jedoch der Einzige gewesen, der die Richtigkeit meiner Worte hätte bezeugen können, denn was ich weiß, erfuhr ich von ihm.«
»Willst du damit sagen, der Whyono habe seine Metzen in seine Pläne eingeweiht?«, rief ein stark ergrauter Stammesfürst spöttisch aus.
»Das habe ich nicht gesagt.« Faharija hob stolz das Kinn. »Aber ich war ihm sehr nahe und wurde häufig Zeuge dessen, was er des Nachts in seinen Träumen sprach. Und manchmal, wenn die Hohepriesterin es nicht bemerkte, harrte ich unter den Fellen auf seinem Lager aus, während sie Pläne austauschten. Ich war seine erste Gemahlin, die Einzige, die ihm auf dem Rücken des Lagaren ins Heerlager folgte, und ich halte es für meine Pflicht, Euch davon zu berichten, was ich erfahren habe.«
»Und das wäre?«, fragte Cahr gereizt. Faharijas Gegenwart ärgerte ihn, und er machte keinen Hehl daraus, dass er ihren Worten keinen Wert beimaß. »Komm endlich zur Sache. Wir haben hier Wichtiges zu besprechen. Wie, glaubst du, vermögen wir diesen Nebel zu zerstören?«
»Indem Ihr jene tötet, die ihn erschaffen hat!«, gab Faharija knapp zur Antwort. »Der magische Nebel entsteht nicht von allein. Um die Magie neu zu wirken, musste eine junge Frau elbischen Blutes zum Arnad reisen und dort einen mächtigen Zauber weben.« Sie stützte die Hände auf den Tisch und blickte jedem Einzelnen der Stammesfürsten in die Augen. In ihrem Blick glühte ein leidenschaftliches Feuer, wie man es sonst nur bei Kriegern sieht, die in die Schlacht ziehen. »Die Elbin muss sich noch auf der nördlichen Seite des Pandarasgebirges aufhalten, doch bleibt nur wenig Zeit. Schickt Reiter aus! Sofort! Findet und tötet sie, dann werden auch die Nebel vergehen.« Sie verstummte und blickte die Stammesfürsten aufmerksam an, ehe sie weitersprach. »Sobald die Nebel nicht mehr über dem Arnad stehen, werden unsere Krieger neue Zuversicht verspüren. Der Sieg über den Elbenspross wird sie in der Gewissheit bestärken, die Ungläubigen auch ohne einen fremden Herrscher besiegen zu können, und sie werden Euch mit neuer Kraft in einen weiteren Feldzug folgen. Der Ruhm und die Ehre, unser Volk siegreich in die alte Heimat zu führen, würde dann allein Euch zuteil.«
Die Zeit verlor jede Bedeutung.
Im selben Augenblick, da sich die Bestie gezielt vom Felsen abstieß, schien sich der normale Ablauf aller Bewegungen urplötzlich zu verlangsamen. Ajana hatte das unwirkliche Gefühl, einen Film in Zeitlupe vor sich ablaufen zu sehen.
Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie den Dunkelschleicher an und nahm dabei jede Kleinigkeit überdeutlich wahr: die weit vorgestreckten Vorderbeine mit den krallenbewehrten Pfoten, das aufgerissene Maul mit den dolchartigen Zähnen und den blutgierigen Ausdruck der Augen, in denen sich das Licht des Feuers unheilvoll brach. All das sah sie so klar, als sei ihr der Blick eines Falken zuteil geworden, während der Dunkelschleicher langsam wie eine Feder im Wind auf sie zuglitt. In diesem Augenblick war er der Mittelpunkt der Welt, gewaltig und Furcht einflößend, das grausige Antlitz des Todes.
Ajana hielt den Atem an. In ihren Ohren pulsierte das Blut im hämmernden Takt ihres Herzschlags. Die Geräusche der Umgebung drangen zu ihr wie aus weiter Ferne; das Wiehern der Pferde, die sich in Todesfurcht aufbäumten, und die entsetzten Warnrufe der beiden Männer, die die Gefahr erfasst hatten.
Zu spät!
Überraschend klar und ohne jedes Gefühl blitzte die Erkenntnis in Ajanas Gedanken auf. Sie kommen zu spät.
Die Zügel entglitten ihren Händen, als sie abwehrend die Arme hob. Sie schrie auf und warf sich zur Seite, um dem Dunkelschleicher auszuweichen, ahnte jedoch, dass diese lächerliche Gegenwehr ihr Leben nur um wenige Sekunden verlängern würde.
Ich will nicht sterben!
Der Aufprall war hart und raubte Ajana den Atem. Für Bruchteile von Sekunden wurde ihr schwarz vor Augen, während das Geschehen um sie herum ruckartig das richtige Zeitmaß wiederfand. Im nächsten Augenblick waren auch die Geräusche wieder gegenwärtig, laut und schrill. Wiehern, Fauchen, Hufschlag und lautes Rufen schlugen wie eine Woge über ihr zusammen. Dann hörte sie einen zischenden Laut, dem dumpfe Schläge folgten. Das Fauchen des Dunkelschleichers wechselte nahezu übergangslos in ein gequältes Geheul und verstummte schlagartig, als er zu Boden stürzte.
Ajana ächzte, als das Untier schwer auf ihren Körper prallte, und
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