Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
der großen Kriege, die sie aus dem Fernsehen kannte, vor ihrem geistigen Auge abliefen. Sie spürte Bayards fragenden Blick auf sich ruhen, doch ein plötzlicher Ausruf von Keelin ersparte ihr die Antwort.
»Seht doch, die Spur!«, hörte sie den jungen Falkner in ihre Gedanken hinein rufen und wandte sich um, um zu sehen, was er entdeckt hatte. Auch Bayard drehte sich im Sattel um und folgte mit den Augen dem Fingerzeig des Falkners, der auf eine breite Spur im Sand deutete, nur wenige Schritte entfernt.
Die Fährte kam von Norden, ein dunkles Band aufgewühlter Erde, mehrere Meter breit und von Hunderten Fußabdrücken und Wagenspuren gezeichnet. Man hatte sich nicht bemüht, sie zu verbergen, ein Zeichen dafür, dass sich jene, die hier vorbeigezogen waren, in Sicherheit wähnten.
»Uzoma!« Bayard stieß das Wort hervor, als habe es einen üblen Beigeschmack, und spie auf den Boden. »Sieht ganz so aus, als vertriebe der Winter das elende Lagarengeschmeiß aus den Bergen.«
»Wie viele waren es wohl?«, fragte Ajana, die keine Erfahrung im Spurenlesen besaß.
»Einige Hundert, vielleicht auch Tausend«, gab Keelin zur Antwort. »Die Spur ist stark verunreinigt und unübersichtlich. Aber sie ist noch nicht allzu alt. Sie sind nach Westen gezogen. Vermutlich suchen die Krieger der Uzoma einen geschützten Platz zum überwintern.«
»Würde mich nicht wundern, wenn sich diese Barbaren am Wehlfang-Graben die erfrorenen Gliedmaßen wärmen wollen.« Bayard lachte spöttisch. »Zumindest die, die den Marsch dorthin überleben.« Er deutete auf die Spur. »Ich sehe Schleifspuren, ein Zeichen dafür, dass sie Verwundete dabeihaben und nur langsam vorankommen.«
»Was ist, wenn wir sie einholen?« Der Gedanke, plötzlich dem feindlichen Heer gegenüberzustehen, machte Ajana Angst.
»Seid unbesorgt.« Dem Anführer der Vaughn war das Gespräch der drei nicht entgangen. Er lenkte seinen Mahoui neben Keelin und erklärte: »Wir werden den Uzoma nicht begegnen. Meine Brüder geleiten sie in ein Tal, das ihnen das Überwintern ermöglicht.«
»Ihr mischt euch wohl überall ein, wie?«, knurrte Bayard.
»Die Fehde, die zwischen Euren Völkern lodert, ist nicht die unsere«, gab der Vaughn bedächtig zur Antwort. »Wir richten nicht, wir dienen allein der Großen Mutter, die uns alle dereinst auf diese Welt setzte. Gemeinsam mit den Tieren und Pflanzen sind wir ein großer Stamm. Wir alle sind Brüder und Schwestern und gleich an Wert.«
»Welch ehrenhafte Anschauung.« Bayards spöttischer Tonfall machte keinen Hehl daraus, dass er die Lebensweisheiten des kleinen Volkes nicht einmal im Ansatz teilte. Der Vaughn ging nicht auf seine Bemerkung ein, sondern wandte das Gesicht der sinkenden Sonne zu, deren glutrote Scheibe kaum mehr einen Fingerbreit über den weißen Gipfeln des Pandarasgebirges hinter einer Wolkenbank hervorschaute. »Es ist jetzt nicht die rechte Zeit, darüber zu streiten«, sagte er versöhnlich. »Nicht mehr lange, und wir sind am Ziel.«
Wie schon Maylea durchquerten auch Ajana, Bayard und Keelin das endlose Gewirr aus Höhlen und Tunneln mit großem Unbehagen. Nur zögernd folgten sie den Kriegern auf dem geheimen Pfad, der von der nördlichen Steppe ins Tal der Vaughn führte.
Ihre Pferde hatten sie jenseits der Berge zurücklassen müssen. Die völlig verängstigten Tiere waren durch nichts dazu zu bewegen gewesen, in die lichtlose Welt einzudringen.
Auf Befehl des Anführers hin hatten einige der Vaughn-Krieger Ajana, Keelin und Bayard ihre Mahouis überlassen, damit sich deren Ankunft im Tal nicht noch weiter verzögerte.
Ajana hatte großen Respekt vor den Mahouis. Obwohl ihr Reitvogel von einem vor ihr reitenden Krieger am Zügel gehalten wurde, der sie sicher durch die Höhle geleitete, fiel es ihr schwer, sich mit dem ungewöhnlichen Tier vertraut zu machen. Mit den wuchtigen Schnäbeln wirkten die Mahoui sehr gefährlich, doch derjenige, den man ihr zugeteilt hatte, erwies sich als zutraulich und sanftmütig, und so fasste sie allmählich etwas Vertrauen zu dem eigentümlichen Vogel.
Langsam und eintönig tröpfelte die Zeit dahin. Viel zu sehen gab es nicht. Das milde, grünliche Licht, das den seltsamen Leuchtkörben entströmte, die die Vaughn mit sich führten, ließ lediglich ahnen, was sich jenseits der Dunkelheit verbarg, und nur selten war ein anderes Geräusch zu hören als das Scharren der Mahoui-Krallen auf dem harten Boden.
Ajana gähnte leise und
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