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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Bergen kamen, desto häufiger zeigten sich im Sand schwarze, vom Wind blank gefegte Flecken aus erstarrter Schlacke und erkalteten Lavaströmen. Die hohen Sanddünen wurden flacher, während gleichzeitig immer mehr vulkanisches Gestein hervorschaute.
    Wenig später lag die Wüste hinter ihnen.
    Als hätten sie eine unsichtbare Grenze überquert, verbarg die Sonne ihr Antlitz jäh hinter einem schmutzigen braun-gelben Schleier, und in der Luft lag ein beißender Geruch, der das Atmen erschwerte.
    Der Wüstensand, vom Wind bis hierher getragen, füllte nur mehr die Ritzen und Spalten der ausgedehnten Lavafelder, die sich sanft ansteigend bis zum Fuß der Orma-Hereth erstreckten, und bedeckte die flachen Mulden, die der seltene Regen aus dem porösen Gestein herausgespült hatte.
    Der Raapir eilte achtlos darüber hinweg. Die Hornkrallen seiner viergliedrigen Füße scharrten mit einem hässlichen Geräusch über den harten Untergrund, während er mit traumwandlerischer Sicherheit den trüben, gelblichen Pfützen auswich, in denen sich das schwefelhaltige Wasser aus dem Erdinnern sammelte.
     
    Später konnte sich Vhara nicht mehr daran erinnern, wie sie die letzte Strecke hin zum Fuß der Berge zurückgelegt hatte. Es war ein Weg voll von Schmerzen und dem ständigen Kampf mit den Urinstinkten der Echse, die ihre Schwäche zu spüren schien und umso wilder und wütender gegen die geistigen Fesseln aufbegehrte. Die Hohepriesterin musste all ihr Geschick darauf verwenden, sich auf dem Rücken der schaukelnden Echse zu halten, während ihre Kräfte zusehends schwanden. Ihre Entschlossenheit ließ jedoch nicht zu, dass sie der Schwäche nachgab. So kurz vor dem Ziel würde sie keine weitere Verzögerung dulden, nur weil ihr Körper den Unzulänglichkeiten der Sterblichen Tribut zollte.
    Unter Aufbietung aller Kräfte und ungeachtet der brennenden Schmerzen in ihren Beinen, trieb sie den Raapir voran, bis sich endlich der nachtschwarze Höhleneingang am Fuß des Wnutu vor ihr auftat, durch den sie zwanzig Winter zuvor das Reich der Serkse schon einmal betreten hatte.
    Der Raapir bewegte sich nicht weiter. Er hatte sein Ziel erreicht und wirkte unschlüssig. Das drängende Gefühl in ihm, diesen Ort aufsuchen zu müssen, war ungebrochen vorhanden, doch mit seinen Instinkten suchte er vergeblich nach einem Grund dafür.
    Vhara erhob sich mit steifen Gliedern, nahm die wenigen Dinge an sich, die für sie unverzichtbar waren, und glitt über den Rücken des Raapirs zu Boden. Dabei hielt sie das Bewusstsein der Echse weiterhin fest im Griff und ließ sie nicht aus den Augen. Dieser Moment war der wohl gefährlichste. Die Verbindung zwischen ihr und dem Raapir konnte auf keinen Fall bestehen bleiben, doch um die Fesseln zu lösen, die ihr die Bestie gefügig machten, war ein direkter Blickkontakt unumgänglich.
    In vermeintlich sicherem Abstand schritt Vhara um den Raapir herum. Der Boden unter den dünnen Sohlen ihrer Schuhe war heiß, und die von Dämpfen durchsetzte Luft brannte in ihren Lungen, aber all das nahm sie nur beiläufig wahr. Ihre gesamte Aufmerksamkeit galt dem Raapir.
    Die roten Fächer bedrohlich aufgerichtet, starrte er sie aus kleinen gelben Augen an und verfolgte jede ihrer Bewegungen, als lauere er einer Beute auf.
    Vhara spürte, wie der Jagdinstinkt des Raapirs erwachte. Verzehrend und machtvoll schoss er in die Höhe, wie die schwelende Glut eines Feuers, in das Öl gegossen wurde. Sie zuckte zusammen und schwankte unter der Wucht der Gefühle, aber noch hielten ihre geistigen Fesseln dem Ansturm stand und verhinderten, dass der Raapir seinen Instinkten freien Lauf lassen konnte.
    Vhara wusste, dass sie nur einen Versuch hatte. Sobald sie den Geist des Raapirs freigab, würde er seiner wilden Natur folgen. Sie hatte einen Plan. Aber wenn dieser scheiterte, wenn es ihr nicht gelang, den Beutehunger der Echse durch etwas anderes abzulenken …
    Die Hohepriesterin gestattete es sich nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. Furcht machte schwach, und Schwäche war etwas, das sie sich nicht erlauben konnte. Ein letztes Mal sammelte sie ihre Kräfte, dann hob sie den Blick und sah der Echse direkt in die Augen.
    Sogleich wurde sie vom Sturm der Gefühle erfasst, die im Innern des Raapirs tobten.
    Zorn, Hunger und das wilde Gebaren eines gefangenen Tiers rissen sie mit sich fort und trugen sie dorthin, wo die Instinkte der Echse mit Urgewalt auf die Mauern einstürmten, die sie auf magische Weise errichtet hatte.

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