Das Erbe der Templer
kommt die Gefahr.«
René schenkte Rotwein nach und rülpste tief durch. »Meinst du die Burg damit?«
»Was sonst?«
»Aber da wohnt niemand.«
»Doch.«
»Hat jemand das alte Gemäuer gemietet?« René fragte und lachte gleichzeitig.
»Hör auf zu spotten! Du weißt genau, daß ich die alten Templer damit meine.«
»Die sind tot.«
»Bist du dir sicher?«
»Klar.«
»Und wieso?«
»Weil kein Mensch einige Hundert Jahre lang leben kann. Das ist der Grund, meine liebe Eva.«
Die Frau seufzte und nickte gedankenverloren. »Ich wollte, du hättest recht.«
»Habe ich auch.«
Eva erwiderte nichts mehr. Sie schob nur die weiße Häkelgardine ganz zur Seite, um einen besseren Blick zu bekommen. Das Schloß konnte sie nicht sehen, es war dafür viel zu dunkel, auch den Serpentinenweg nicht, der den Hang schlangenförmig zerteilte, aber sie lebte schon sehr lange in diesem Tal und kannte deshalb auch den Berg. Ohne den Pfad direkt zu sehen, wußte sie, wo er herlief. In Gedanken verfolgte sie ihn weiter hoch, bis er die Spitze des Berges erreichte, wo auch das alte Templer-Schloß stand.
Gleichzeitig wuchs ihre Unruhe. Einiges stimmte da nicht. Ihr Inneres befand sich in Aufruhr, sie hatte die Hände zu Fäusten geballt, die Haut an den Wangen zuckte, und sie hörte auch nicht hin, als René ihr einen Schluck Rotwein anbot.
Erst als er mit dem halb gefüllten Glas neben ihr stand, wurde sie aufmerksam.
»Trink doch!«
»Nein.«
»Verdammt, was hast du denn?« Er schüttelte verwundert den Kopf.
»Eva, du zitterst ja.«
»Ja, René, ich zittere. Es ist die Angst, die mich so handeln läßt. Die reine Angst.«
»Wovor hast du denn Angst?« Er nahm einen Schluck von Evas Wein.
»Da ist eine Nacht wie die andere. Die Sterne, der Himmel, der Berg, der Wind, es riecht nach Schnee…«
»Und nach Tod!« ergänzte die Frau mit dumpf klingender Stimme. »Wer soll sterben?«
»Das wage ich nicht auszusprechen. Ich behalte es für mich, weil es einfach zu furchtbar ist.«
René wandte sich ab. Sie aber blieb am Fenster und sah plötzlich das Licht. Es war noch weit entfernt, dieses rötliche Schimmern, noch über dem letzten Waldstück, aber es bewegte sich talwärts. Es heißt, daß dieses Licht auch hier vorbeikommen würde. Eva glaubte nicht, daß es normale Menschen waren, die der Burg einen Besuch abgestattet hatten. Keiner aus dem Dorf ging freiwillig dorthin. Ein jeder wußte, daß es in den Gewölben spukte und nicht geheuer war. Man sprach davon, daß die Templer umhergingen. Sie waren zwar gestorben, aber noch längst nicht tot. Auf irgendeine Weise existierten sie immer. Jetzt war es besser, wenn sie die Sachen packten und das Haus verließen. Ins Dorf fliehen, die anderen warnen, das mußte in der noch verbleibenden Zeit getan werden.
In den beiden anderen Häusern hielt sich niemand auf, das wußte Eva. Sie hatte die Außenleuchten eingeschaltet. Wenn ihr René nur endlich glauben würde…
Der aber saß am Tisch und drehte seine Zigaretten. Mit spitzen Fingern nahm er den Tabak aus der Dose, legte ihn in das Papier und drehte daraus die Glimmstengel.
Sehr geschickt und routiniert stellte er das an und schaute auf, als Evas Schatten den Schein der Deckenleuchte durchbrach. »Du stehst mir in der Sonne, Weib!«
»Es wird für dich keine Sonne mehr geben, wenn du jetzt nicht aufstehst, den Rest des Geldes und ein paar Papiere einsteckst, dich anziehst und ins Dorf hinunter fliehst.«
»Ach!« Mehr sagte René nicht, knallte die Blechdose zu und schaute seine Frau an.
»Komm doch!« Sie faßte seinen Arm und wollte ihn vom Stuhl hochziehen.
»Laß mich, verdammt!«
»Aber wir müssen wirklich weg! Sie kommen! Ich habe sie gesehen. Das Licht wandert auf uns zu.«
»Die Templer?«
»Ja.« Die Antwort glich einem Schrei. Eva bewegte sich hektisch. Sie rannte die kleine Treppe hoch in den ersten Stock. Nur einen Absatz weit brauchte sie zu laufen. Im Schlafzimmer öffnete sie die Schranktüren und schleuderte warme Winterkleidung auf das Doppelbett. Einen Mantel, einen Pullover, auch ein Paar Stiefel holte sie aus dem Schrank. Erst am Morgen hatte sie die geputzt.
Die Kleidung ihres Mannes hing unten am Haken, aber die Papiere waren noch in einem Fach unter der Wäsche versteckt. Auch die nahm Eva schnell an sich.
Sie rutschten ihr aus der Hand. Eva hob sie auf und stopfte sie in die rechte Manteltasche, bevor sie das Kleidungsstück übergeworfen hatte. Dann polterte sie die Treppe
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