Das Erbe der Templer
mitgenommen. Und ich glaubte fest daran, daß sie das Schloß verlassen hatten. Wenn sie beritten waren, hatten sie einen verdammt großen Vorsprung gewonnen, den ich auch mit dem schnellen BMW nur schwerlich aufholen konnte. Wie lange ich außer Gefecht gesetzt gewesen war, konnte ich nicht sagen, jedenfalls hatten wir noch nicht Mitternacht, und bis dahin war auch noch Zeit.
Ich machte mich zu Fuß auf den Weg. Mehr schlecht als recht taumelte ich durch den Gang, erreichte auch das Grab des Küsters und sah noch für einen Moment das gleiche Gesicht mit den zahlreichen kleinen Blutspritzern darauf. Dann eilte ich weiter.
Der Gang und der Staub bildeten eine Einheit. Ich kam mir vor wie jemand, der sich durch einen grauen Nebel kämpfte und überall nach einem Halt suchte.
Schließlich lag der Gang hinter mir: Der Rest war ein Kinderspiel, obwohl ich sehr vorsichtig war und nach den Templern Ausschau hielt. Ich bekam keinen mehr zu Gesicht.
Erst im Burghof atmete ich auf. Dies mehrere Male hintereinander, denn die kalte Nachtluft tat ungewöhnlich gut. Sie drang tief in meine Lungen, so daß ich sogar das Gefühl bekam, sie würde auch die Schwäche vertreiben. Über mir funkelte das Meer der Sterne. Fast kitschig schön. Ein mit Brillanten besetztes Kissen, das in die Unendlichkeit hineinreichte und kein Ende zu haben schien.
Die hohen Burgmauern verwehrten mir den Blick hinunter ins Tal. Auf dem gleichen Weg, den ich hergekommen war, ging ich wieder zurück und zwängte mich durch den Torspalt.
Hier traf mich der Wind härter. Obwohl der Himmel wolkenlos war, wehte der Wind den Geruch von Schnee heran. Die kleine Welt würde hier bald unter diesem weißen Tuch versinken, das so viele schon mit einem Leichentuch verglichen hatten.
Ich hoffte nur, daß es nicht soweit kommen würde und sich die Menschen retten konnten.
Den BMW hatten die Templer nicht zerstört. Er stand dort, wo ich ihn verlassen hatte. Irgendwie kam er mir wie eine kleine Rettungsinsel vor. Mit ihm würde ich das Tal schnell erreicht haben.
Bevor ich einstieg, stellte ich mich an den Rand des Abhangs und schaute in die blauschwarze Tiefe.
Ich sah auch das Dorf mit den wenigen Lichtern. Es wirkte wie eine helle Insel in einem Meer der Schatten, in dem sich sonst nichts bewegte. Auch keine untoten Templer.
Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder hatten sie das Dorf verschont, oder sie waren einen anderen Weg geritten.
Automatisch bekam ich ein wenig Hoffnung, die brutal zerstört wurde, denn als ich mich abwenden wollte, sah ich plötzlich den Feuerschein. Von dieser Stelle aus konnte ich über den Wald hinwegblicken. Das Feuer war im unteren Drittel des Hanges ausgebrochen, aber nicht im Wald, dort brannte ein Haus.
Sicherlich war es bewohnt. Und untote Wesen rochen, wo sich Menschen aufhielten, da hatten sie ein verdammt sicheres Gespür. Sie würden auch Jagd auf sie machen. Ob es nun alte Templer waren oder Neuzeit-Zombies, durch Voodoo zum Leben erweckt.
Ich mußte mich beeilen.
Sekunden später saß ich im Wagen und startete zu einer halsbrecherischen Fahrt hinunter ins Tal…
***
»Ich rieche das Unheil!«
René Lapisse schaute seine Frau Eva an, bevor er ein Stück Schafskäse in den Mund schob. »Welches Unheil?« erkundigte er sich kauend.
»Das auf uns zukommen wird.«
»Und wann?«
Er nahm einen Schluck Wein.
Eva zögerte noch mit der Antwort. Sie war eine Frau von 35, wirkte aber älter. Das harte Leben hatte seine Spuren hinterlassen. Jetzt legte sie ihre rauhen Hände gegeneinander und zog die alte Strickjacke noch enger um die Schultern. »Vielleicht in dieser Nacht. Du weißt, daß ich die Ahnungen von meinen Eltern geerbt habe, und ich habe mich auch selten geirrt. Fast immer, wenn ich so etwas spürte, ist es dann auch eingetroffen. Verstehst du?«
René wechselte zwischen Käse und Rotwein. »Na ja, manchmal hast du recht gehabt. Bei der alten Celestine, die in ihrem Haus verbrannt ist. Aber wie kann man auch nur die Jahre über alte Zeitungen sammeln und unvorsichtig mit dem Feuer sein.«
»Das hat mit meinen Ahnungen nichts zu tun. Ich habe den Tod vorausgesehen, als ich sie im Traum im Sarg liegen sah.«
»Und wen hast du jetzt gesehen?«
Eva stand auf. Sie ging zum nach Norden liegenden Fenster des Raumes. Wenn sie dort durch die Scheibe schaute, konnte sie den Hang hinaufsehen und bei klarem Wetter sogar einen Teil der alten Burg erkennen.
»Von dort oben!« flüsterte sie heiser. »Nur von dort oben
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