Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
zufiel. »Vielen, vielen Dank, ähm …«
»Dan.«
»Dan.« Sie hatte den Eindruck, sie sollte noch eine Weile dableiben und sich mit ihm unterhalten, aber die Zeit drängte. »Du bist mein Held«, scherzte sie.
»Jederzeit«, antwortete er und sah sie aus dunkelbraunen Augen freundlich an. »Ich stelle mich jederzeit als Held zur Verfügung.«
»Oh.« Tja, was sagte man zu einem Angebot wie diesem? Diese unverblümte Art war verführerisch und verdiente es eigentlich nicht, ignoriert zu werden.
Cari verschwand in ihrem Hörsaal, war aber tags drauf nicht allzu überrascht, als er auf sie zukam, um sich mit ihr auf einen Kaffee zu verabreden.
»Okay.« Es war ja bloß auf einen Kaffee.
Beim Cappuccino erzählte er ihr, dass er Betriebswirtschaft studiere und Unternehmensberater werden wolle.
»Nicht schlecht«, antwortete Cari und fragte sich gleichzeitig, wie sicher er sich seiner beruflichen Pläne überhaupt sein konnte. Sie stellte sich die Zukunft immer als einen schwierigen Weg mit verzwickten Kreuzungen vor, auf dem man mit toten Winkeln sowie unüberwindbaren Steigungen und gefährlichem Gefälle zu rechnen hatte. So war das Leben doch, oder nicht?
Cari ließ die Jalousien wieder herunter. Inzwischen hatte sie begriffen, warum er nicht um seine Zukunft bangte: weil er die Vergangenheit seiner Familie kannte. Sie dagegen hatte mehr angenommen von ihrer Mutter, die alle Brücken abgebrochen hatte, als ihr bewusst gewesen war. Im Gegensatz zu Dan … Jedes seiner Ziele und jeder Traum war in seiner Familie verankert.
Aus den gelegentlichen Treffen zum Kaffee war ein Kinobesuch mit dem ersten Kuss geworden. Insgesamt war alles weitaus angenehmer verlaufen, als Cari erwartet hatte. Sie hatte das Gefühl … umsorgt zu sein. Dan hatte angerufen und sie zum Abendessen in ein preiswertes vegetarisches Restaurant in der North Street eingeladen. Es war anregend gewesen. Er war humorvoll und intelligent, doch vor allem verlässlich. Sie entwickelten eine unkomplizierte Beziehung. Die Küsse wurden allmählich intensiver. Eines Tages reichten sie ihnen nicht mehr, und sie schliefen in Caris möbliertem Zimmer miteinander. Es war nicht gerade eine überwältigende Leidenschaft, aber Cari empfand … Zufriedenheit. Sie fühlte sich beschützt und war glücklicher als je zuvor in ihrem Leben. Sie waren ein Paar. Das war vollkommen in Ordnung.
Seit ihren Anfangstagen hatte sich viel ereignet. Dan arbeitete mittlerweile in der Geschäftsleitung, während sie ihr Modestudio eröffnet und eine Wohnung im belebten Zentrum von Brighton bezogen hatte, nicht weit von ihrem Atelier und der North Laine entfernt. Dort gab es eine verrückte Mischung ausgefallener Läden und Märkte nahe der Seepromenade mit ihren großen Regency-Gebäuden, dem Palace Pier und faszinierenden Antik- und Schmuckgeschäften. Brighton wurde seinem Namen gerecht. Die Stadt war lebhaft, bunt, schillernd. Sie riss einen mit und schien niemals zu schlafen. Ganz wie Cari – zumindest im Augenblick.
Nach einigen Monaten hatte Dan sie seinen Eltern vorgestellt, die in der Nähe von Eastbourne wohnten. In ihrem Bungalow an der Küste tranken sie aus zarten Porzellantassen Tee mit Milch. Auf der Anrichte des Wohnzimmers hatten die Familienfotos einen festen Platz. Dan und sein Bruder Toby als kleine Jungen, verschmitzt in die Kamera grinsend; daneben Mr und Mrs Elsmore – an ihrem Hochzeitstag und bei einer Taufe. Mrs Elsmore hatte ein weißes Bündel im Arm, das sowohl Dan als auch Toby darstellen konnte. Daneben Mr Elsmore als junger Mann, die Arme lässig um die Schultern seiner Eltern geschlungen – der Vater gar förmlich im Anzug, in steifer Haltung, die Mutter unsicher wegen ihres Sohnes, der – wann bloß? – zum Mann geworden war.
Cari konnte den Blick nicht von den Fotos wenden, bis Dans Mutter neben sie trat und den Aufnahmen Namen und Orte zuordnete. »In Clacton«, erklärte sie und wies auf ein Bild. »Dan war schon immer ein außerordentlich hübscher Junge.«
»Ach, Mum, Cari interessiert das nicht …«
Cari musste schlucken. Sie entschuldigte sich, durchquerte hastig den Raum, der mit einem gesprenkelten Teppich ausgelegt war und dessen Wände Tapeten mit Magnoliendekor schmückten, und ging die Treppe hinunter zur Toilette, auf die ein kleines Messingschild an der Tür hinwies.
»Verdammt noch mal!«, fluchte sie, drehte den Kaltwasserhahn auf und befeuchtete ihr Gesicht. Ihr Make-up war dahin, aber es war ihr egal. Ihre
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