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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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schienen sie zu rufen. Als sie sich zum Haus umwandte, hörte sie das Knacken erneut. Ein hastiger, flacher Atem. Ihr eigener? Sie war sich nicht sicher. Sie stolperte.
    Die Musik verstummte. »Aurelia?« Enricos Stimme kam von der Terrasse. »Wo bist du? Was tust du dort im Dunkeln?«
    »Ich bin hier«, antwortete Aurelia laut und deutlich. »Bin schon da.«
    So selbstsicher wie möglich ging sie auf Enrico und La Sirena , sein schönes, einladendes Haus, zu.
    An der Tür blickte sie sich zu dem Labyrinth um. War bei den Lorbeerbäumen nicht ein Schatten? Oder trogen ihre Augen sie? Schließlich sah sie nicht mehr so gut. Egal. Sie würde Enrico nichts davon erzählen. Sie wollte ihm nicht schon wieder einen Anlass geben, sie zu ermahnen, ihr Arbeitspensum zu verringern.
    »Wir werden zu spät kommen, du hast dich noch nicht mal umgezogen«, sagte Enrico, nahm zärtlich ihre Hand und schloss die Tür hinter ihr.
    Zu Hause machte Cari es sich mit einem Buch, einem großen Glas Wein und etlichen Schälchen Dim Sum, kleinen chinesischen Klößen mit unterschiedlicher Füllung, auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer bequem. Die Begegnung mit dem jungen Italiener ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie kämpfte mit sich, ob sie Dan anrufen solle – sie hatte genügend zu essen eingekauft, und am Abend tat seine Ruhe ihr besonders gut. Aber vermutlich hatte er bereits gegessen. Außerdem konnte er es nicht ausstehen, beim Essen auf dem Sofa zu lümmeln, wenn daneben ein wunderbarer Esstisch stand. Sie nippte an ihrem Wein. Nein, sie würde bei ihrem Plan bleiben: ein Abend ganz für sie allein!
    Dan verbrachte ohnehin vier, manchmal fünf Nächte in der Woche bei ihr, und es verging kein Tag, an dem er nicht anrief. Sie knabberte an einem Klößchen mit Hühnchenfüllung. Eine junge Kundin hatte heute das Hochzeitskleid anprobiert, das Cari für sie entworfen hatte. Ein ganz gewöhnliches Mädchen, das Cari für einen Tag in eine Prinzessin verzaubern würde. Als die Kundin sich vor dem Spiegel gedreht hatte, war der Rock tatsächlich wie bei einer Tarantella gewirbelt. Weißer Tüll, weiße Perlstickerei. Weißer Zuckerguss, dachte Cari. Wenn ich einmal heirate – falls ich jemals heirate –, werde ich etwas Atemberaubendes tragen, aber keinesfalls in Weiß. Ich mag es auch romantisch und verspielt, keine Frage. Das muss ich in meiner Branche auch. Doch meine Hochzeit soll Realität sein und nicht wie ein Trugbild wirken. Blut anstatt Wasser, Stärke und Verlässlichkeit statt einer vorgegaukelten Märchenwelt.
    Cari ließ sich ein weiteres Klößchen schmecken, diesmal ein vegetarisches, das ebenfalls köstlich schmeckte. Cari probierte zu gern verschiedene Gerichte – Dim Sum erregte die Geschmacksknospen und machte Lust auf mehr.
    »Sind Sie verheiratet?«, hatte die junge Frau bei der Anprobe gefragt.
    »Nein.« Cari hatte innerlich gelächelt. Dan hatte zwar schon mehrmals um ihre Hand angehalten, und seit kurzem fragte sie sich, wie oft ein Mann die Ablehnung hinnehmen würde. Ob sie nach ihrer Mutter schlug? Unverheiratet und fest entschlossen, es zu bleiben? Hoffentlich nicht. Sie liebte ihre Mutter, sehnte sich jedoch nach einer großen Familie. Weniger nach Kindern oder besser gesagt: noch nicht. Ihre biologische Uhr hatte schließlich noch nicht zu ticken begonnen. Außerdem besaß sie ein Geschäft, das sie mit viel Mühe und Entbehrungen aufgebaut hatte. Aber sie wünschte sich eine Familie, wollte ihre Wurzeln kennenlernen. Sie wollte einen Anker im Leben haben und das Gefühl der Zugehörigkeit spüren.
    Da Tasmin ihrer Tochter bestimmte Familienangelegenheiten stets verheimlicht hatte, war Cari in gewisser Weise ohne Wurzeln aufgewachsen. Dabei brauchte jeder Wurzeln, um aufrecht und gesund groß zu werden. Doch kaum wollte Cari etwas über ihre Vorfahren, Großeltern, Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen wissen, winkte Tasmin ab. Wir brauchen keinen von ihnen, pflegte sie der Tochter zu sagen. Wir beide kommen doch wirklich wunderbar allein zurecht.
    Aber Cari wollte sich selbst ein Bild verschaffen. Sie mochte es nicht, wenn etwas totgeschwiegen wurde. Tasmin dagegen war auf diesem Gebiet Expertin. Sie lebte im Dunkel; ihre Tätigkeit in der Galerie, ihre Fotografie, ihre Partys, ihre Amouren – vermutlich weiß niemand davon, argwöhnte Cari. Zumindest hielt sie die Bereiche sorgfältig voneinander getrennt. Nichts durfte nach außen dringen. Wovor fürchtet sie sich bloß?
    »Ich könnte nicht ohne Gareth

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