Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
Vom Netzwerk:
Sachen auf der Terrasse ab und steckte den Schlüssel in die Haustür. Wer um alles in der Welt war sie? Und weshalb wirkte sie so vertraut?
    Die Besucherin nickte.
    »Nun gut, treten Sie ein«, sagte sie einladend. »Sie sind ja nass bis auf die Haut.« Wer immer sie sein mochte, sie würde sie selbstverständlich nicht auf den Stufen stehen lassen. Das gebot die italienische Gastfreundschaft.

K
apitel 27

    Cari blinzelte die Regentropfen von den Wimpern. Sie konnte es kaum glauben. Die lebhaft wirkende Frau – obschon vermutlich bereits in den Siebzigern –, die aus dem Auto in den Regen hinaustrat und wunderlich vor sich hin brummelte, war die Frau auf dem Foto in ihrer Handtasche. Eindeutig. Die Frau musste ihre Großmutter sein!
    Ihr wurde ganz flau, und sie war derart verwirrt, dass sie nur ein Guten Abend auf Italienisch herausbrachte. Wirklich erbärmlich! Ihre Großmutter – unglaublich! Und die weiß getünchte Villa, La Sirena – oder zumindest die Parkanlage –, die sie vom Hubschrauber aus gesehen hatte, war genau der Ort, an dem das Foto aufgenommen worden war. La Sirena . Heimat des Triskelen-Labyrinths. Geschützt und warm spürte Cari den Bernsteinanhänger auf der Haut. Was hatte all das zu bedeuten?
    Die Frau – war es wirklich Aurelia? – hatte die typische Ausstattung einer Malerin dabei. Und in dem weißen, zerzausten Haar, das ihr runzliges Gesicht umrahmte, schimmerten blaue und grüne Farbkleckse. War ihre Großmutter Künstlerin? Sah ganz danach aus. Tasmin, die Fotografin, hatte gewiss einige kreative Gene ihrer Mutter geerbt.
    »Sind Sie Engländerin?«, fragte sie Cari. Ihre Augen waren leuchtend blau. Wie interessant sie aussieht, dachte Cari beruhigt. Und freundlich. Gottlob!
    Cari nickte. Am liebsten hätte sie sich ihr in die Arme geworfen, doch vermutlich würde sie damit die arme Frau zu Tode erschrecken. Also zwang sie sich zur Zurückhaltung, spürte aber nach wie vor, dass ihr Gesicht vor Freude leuchtete. Trotz aller Widrigkeiten hatte sie ihre Großmutter tatsächlich gefunden.
    Die Villa strahlte eine gewisse Kühle aus. Neugierig sah Cari sich um. Auf dem Marmorboden lagen in Beigetönen gemusterte Wollteppiche. Auf einem Glastisch im Flur stand eine hohe weiße Keramikvase mit weißen Lilien. Durch eine offene Tür erhaschte Cari einen Blick auf cremefarbene Ledersofas und einen beeindruckenden Flügel.
    Die Gastgeberin zögerte kurz, als sei sie unsicher, welchen Platz sie ihrem Gast anbieten solle, und musterte Cari mit fragendem Blick.
    Cari beantwortete ihn mit einem ermunternden Lächeln. Wo sollte sie beginnen? Sie hatte ihrer Großmutter so viel zu sagen. Um eine Erklärung kam sie keinesfalls herum. Wie behutsam sollte sie sich denn vorstellen?
    »Sie kennen mich nicht …«, setzte sie an. Na, toll. Bestätigung der gegebenen Umstände – warum eigentlich nicht?
    Aurelia führte sie den Flur entlang in eine geräumige Küche. Ein großer Herd, über dem an einer Halterung glänzende Kupfertöpfe hingen, nahm nahezu eine gesamte Seite ein. In der Mitte des Raumes stand ein alter Eichentisch. »Wie wäre es, wenn wir uns erst einmal einen Kaffee machen?«, schlug sie vor und deutete Cari mit einer Geste an, sich zu setzen.
    »Danke«, sagte Cari und nahm Platz. Nun war ihre Odyssee endlich zu Ende, und sie wusste nicht so recht, was sie tun sollte. Immerhin hatte diese Frau ihren Mann und ihre halbwüchsige Tochter verlassen und war auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Vielleicht bereitete es ihr ja gar keine so große Freude, urplötzlich einer ihr unbekannten Enkelin gegenüberzusitzen.
    Aurelia hob fragend eine Augenbraue. »Vermutlich trinken Sie ihn nicht schwarz, oder?«
    Caris Anspannung löste sich ein wenig. »Nein«, bestätigte sie, »bitte mit viel Milch.« Kaffee würde gewiss hilfreich sein.
    »Zuvor sollten Sie aber Ihre nassen Sachen ausziehen.« Aurelia griff in eine Schublade und warf ihr ein weiches weißes Handtuch zu. »Sonst erkälten Sie sich noch.«
    »Danke.« Cari zog ihre Strickjacke aus und trocknete sich Gesicht, Hals und Haar. Hier in der gemütlichen Küche fühlte sie sich sehr wohl. Sie kam sich … ja, wie kam sie sich denn eigentlich vor? Bemuttert? Be-großmuttert? War das nicht ein bisschen zu spät? Und war sie deshalb so weit gereist? Weil sie keine Mutter hatte und damit überhaupt nicht fertig wurde?
    Während sie darüber nachsann, summte der Kaffeeautomat, er zischte, gurgelte und produzierte schließlich eine Tasse

Weitere Kostenlose Bücher