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Das Erbe der Uraniden

Titel: Das Erbe der Uraniden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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hatten sich die blutigen Ereignisse des Krieges auch hier ausgewirkt. Doch war die bolschewistische Bewegung, noch ehe sie sich ganz entfalten konnte, durch die Ereignisse in Europa und Nordamerika erstickt worden. Auf einem kleinen Platz neben der Hauptstraße stand eine Gruppe von Menschen, die interessiert der Vorstellung eines Gauklers folgte.
    Dieser, ein älterer Mann, braunhäutig wie ein Hindu, hatte unverkennbar mongolischen Einschlag. Er blies auf einer kleinen Flöte, während zwei Kobras mit aufgeblähtem Hals zischend ihre Körper nach den Klängen der monotonen Musik wie im Tanz hin und her wiegten. Es war das alte Schauspiel, das die Bewohner Lahores schon zu den Zeiten der Mogulkaiser unterhalten hatte und auch heute immer noch hinreichte, Schaulustige heranzuziehen.
    Jetzt setzte er die Flöte ab, faßte mit geschickten Griffen die Schlangen und tat sie in den Bastkorb. Dann begann er von neuem zu spielen, und ein junges Mädchen, das mit einem Blechteller umherging, armselige Kupfermünzen einzusammeln, warf hastig ein paar Schleier über und begann zu tanzen. Der Kreis der Zuschauer wurde jetzt größer. Erwartungsvoll sah alles auf den Tanz. Es war keiner von denen, wie sie die Straßengauklerinnen zu zeigen pflegten. Etwas Fremdes, Ungewöhnliches lag darin. Es waren nicht die blitzschnellen, aufgelösten Bewegungen der bekannten Tänze, es war vielmehr ein feierliches Schreiten, bei dem der ganze Körper in ausdrucksvollster Bewegung mitging. Dazu die fast starren Gesichtszüge, die Augen wie die einer Somnambulen traumhaft in die Weite gerichtet.
    Den meisten schien diese Art des Tanzes indes wenig zu gefallen. Der Kreis lichtete sich schnell. Noch ehe weitere sich entfernten, hörte der Inder plötzlich mit dem Spiel auf, warf der Tänzerin den Blechteller zu, um schnell noch ein paar Kupfermünzen einzuheimsen. Dann erhob er sich, schrie dem Mädchen ein paar barsche Worte zu und hieß es ihm folgen.
    Das Mädchen belud sich mit den auf der Erde liegenden Gepäckstücken, nahm den Schlangenkorb in die Rechte und folgte ihrem Herrn. Bedrückt von der schweren Last, vermochte sie nicht Schritt mit ihm zu halten und blieb mehr und mehr zurück.
    Während die meisten der Zuschauer sich längst zerstreut hatten, war noch ein einziger stehengeblieben. Eine hochgewachsene Gestalt, dem Schnitt der Kleidung, des Gesichtes nach zweifellos kein Eingeborener. Unter dem breitrandigen Strohhut blitzte aus dem gebräunten Gesicht ein Paar graublauer Augen. Das kurzgeschnittene blonde Haar verriet den Westländer.
    Mit Verwunderung hatte er das seltsame Paar schon seit geraumer Weile betrachtet. Das Mädchen war trotz der zerschlissenen, verstaubten Hindukleidung unverkennbar eine Europäerin. Wie kam das junge Geschöpf – sie mochte höchstens achtzehn Jahre zählen – in die Gesellschaft dieses widerlichen Alten? Sie schien unter einem unerklärlichen Zwang zu stehen, denn sonst wäre es nicht zu begreifen gewesen, daß sie die brutale Behandlung des Inders widerstandslos erduldete.
    Das Mitleid, das er beim ersten Anblick mit ihr empfunden, verstärkte sich, als er sie jetzt so mühsam in dem glühenden Sonnenbrand unter ihrer Last dahinwanken sah.
    Er wollte sich ihr nähern. Da kam der Inder, der sich jetzt nach der Zurückbleibenden umgeschaut hatte, mit ärgerlichem Rufen und Schelten zurück. Er schrie ihr ein paar Schimpfworte zu und schritt neben ihr her.
    Vergeblich suchte das arme Geschöpf seine Schritte zu beschleunigen. Als sie wieder zurückblieb, versetzte ihr der Inder einen tückischen Stoß in die Seite, der sie taumeln ließ. Im selben Augenblick stand der Fremde neben ihr, nahm die schwere Last von ihren Schultern und fuhr den Inder mit barschen Worten an. Dieser versuchte den Fremden beiseite zu stoßen. Doch da legte sich dessen Hand mit eisernem Griff auf seinen Arm.
    »Wer bist du? Wer ist dies Mädchen? Wie kommt es in deine Gesellschaft, du Schurke?«
    Vergeblich wand sich der Alte unter dem Griff, zischte unverständliche Worte.
    »Ich werde die Polizei zu Hilfe rufen, wenn du mir nicht sofort Auskunft gibst!«
    Bei dem Worte Polizei sank der Inder in sich zusammen. Dann plötzlich – der Griff des Fremden schien nachgelassen zu haben –, machte er sich mit einer schlangengleichen Bewegung frei. Seine Hand griff blitzschnell nach dem Dolchmesser, das in seinem Gürtel steckte. Noch ehe er es gefaßt hatte, traf ihn ein wohlgezielter Schlag, der ihn zu Boden warf.
    Das

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