Das Erbe der Uraniden
schon daran gearbeitet haben. Und doch sprach er nie ein Wort davon.
Weshalb dieses Mißtrauen? Diese Heimlichkeit? Oder kam ihm der Erfolg so überraschend?«
»Ja, Mr. van der Meulen!« rief Lee mit starker Stimme. »Er kam ihm, nachdem er mir’s gestohlen!«
Der Ruf, der sich jedem auf die Lippen drängen wollte, stockte… bei Lees Worten war Hortense, die eben aus der Tür schritt, mit einem Schrei zusammengebrochen…
Drei Tage später. In allen Zeitungen der Welt unter fettgedruckten Überschriften:
Der ›Witwaters Advertiser‹ meldet, der Stern von Südafrika, das Raumschiff William Harrods, wird am Sonnabend, mittags um 12 Uhr, seinen Flug nach der Venus antreten.
Die Meldung bildete das Signal für eine Völkerwanderung Abertausender von Neugierigen nach Johannesburg. Es war, als ob die Union mobilisiert wäre. Die Transportgesellschaften konnten trotz umfangreichster Vorbereitungen den Ansturm der Massen kaum bewältigen.
Tag für Tag landeten in Johannesburg Tausende von Flugschiffen, die, kaum ihrer Last ledig, sofort zurückflogen, um neue Gäste zu holen. Man rechnete aus, daß, wenn es die drei Tage in der bisherigen Art weiterging, eine Million Menschen hier zusammenkommen würde.
Das Ausland schaute mit einem gewissen Mitleid nach Buena Vista, das doch zuerst den Bau begonnen hatte und durch die Schnelligkeit der Südafrikaner geschlagen war. Die öffentliche Meinung in den Staaten griff die Nachricht mit unverhohlener Genugtuung, mit Stolz auf. Man hielt es für selbstverständlich, daß das Banner der Union Sieger in dem Wettstreit blieb.
Die südamerikanischen Zeitungen hatten einen schweren Stand. Sie mußten Spott und Hohn ihrer südafrikanischen Kollegen über sich ergehen lassen, gleichzeitig sich der unwilligen, tadelnden Zuschriften aus ihrem Leserkreise erwehren. Man wußte zwar nicht, wann das Schiff van der Meulens starten würde, doch stand fest, es würde später fliegen. –
Über der Werft von Buena Vista hingen trübe Wolken. Man sah die Unmöglichkeit, früher zu starten, sah, daß auch die stärkste Anstrengung daran nichts mehr ändern konnte. Das Gefühl der Niederlage schien die Kräfte zu lähmen. Der einzige, der mit ungebrochener Kraft weiterkämpfte, Lee, zwang auch alle anderen mit eiserner Energie zu unverminderter Arbeit.
Vergeblich drang van der Meulen in ihn.
»Wozu die nutzlosen Anstrengungen?«
Lee biß die Zähne aufeinander, um die Worte, die auf seine Lippen drängten, zurückzuhalten.
»Sieger ist, wer zuerst die Venus erreicht. Noch habe ich den Gedanken an den Sieg nicht aufgegeben.«
»Sie täuschen sich nicht, Mr. Lee?«
»Nein, Mr. van der Meulen! Ich täusche mich nicht.«
Die große Hornbrille vor den Augen, las der alte Stamford immer wieder den anderen Brief aus Indien, den Brief Sidneys. Sein grauer Kopf bewegte sich zweifelnd hin und her. Die Sache verträgt keinen großen Aufschub, muß aber doch überlegt werden…
Dieser Globetrotter Sidney, heute hier, morgen da, ich weiß nicht, was das bedeutet. Die drei besten meiner Jungen…?
Carlo, zur Zeit in Buenos Aires, Ricardo ist hier, Juan ist eben in Valparaiso gelandet, die kämen dafür vielleicht in Betracht. Die drei älteren? Nein! Louis heiratet bald, Francesco und Paolo sind so gut wie verlobt, also nur die drei Jüngsten würde ich entbehren können…
Daß sie wollen? Ich brauche sie nicht zu fragen… Auf diesen Köder beißen sie sofort an, diese Jungen!
Aber wozu lange überlegen? Erst muß ich wissen, ob van der Meulen damit einverstanden ist. Die haben doch sicher ihre Dispositionen schon getroffen…
Er klingelte. »Mein Pferd! Ich reite nach Buena Vista.«
Möchte nur wissen, warum Sidney mir das so ans Herz legt? Warum er so großen Wert darauf legt? .
Als er zwei Stunden später von van der Meulen zurück war, gingen zwei Depeschen, an Carlo in Buenos Aires und Juan in Valparaiso, ab.
Ricardo, das Riesenkind, wie er in der Familie genannt wurde – er maß reichlich sechs Fuß –, tanzte in seiner Stube einen wilden Indianertanz, daß das solide Haus in seinen Grundfesten erzitterte.
»Wir fliegen zur Venus! Hurra!« Immer wieder brach es jubelnd aus seinem Munde.
*
Der Morgen des Sonnabends war angebrochen, und strahlender Sonnenschein lag über Transvaal. Die Werft des Raumschiffes am Witwaters Rand lag in einem großen Talkessel eingebettet. Die Berghänge waren schwarz von Menschen. Wie ein riesiges römisches Amphitheater wirkte das Ganze.
Die
Weitere Kostenlose Bücher