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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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kühlenden Salbe, legte anschließend Verbände an. Ich sollte ihn später nach dem Rezept für das Zeug fragen. Dann brauche ich nicht mehr die besonderen Fähigkeiten Lees, um meine Verletzungen zu behandeln. Oh, ich wünschte, ich hätte jenes Talent mitnehmen können, als ich meine Seele in diesen Körper transferierte. Der Senda reinigte die Beine, trug ein weiteres Mal Salbe auf, bandagierte sie und erhob sich dann mit einer fließenden Bewegung seines großen und massigen Körpers.
    Unmittelbar darauf hörte Shadith, wie Linfyar winselte und sofort wieder verstummte. Danke, Fremder. Armer kleiner Linfy
    -vielleicht wird ihm dieses Abenteuer eine Lehre sein. Der Senda kümmerte sich mit der gleichen sicheren Gelassenheit um die Wunden Linfyars, die Shadith als fast ebenso angenehm empfand wie die schmerzstillende Wirkung der Salbe, kehrte nach einer Weile zurück, stellte eine Flasche neben sie, ging fort und vertrat offenbar die Ansicht, Shadith käme jetzt ganz gut allein zurecht.
    Seine Fürsorge hatte ihre Grenzen.
    Die Gefangene blieb noch einige Sekunden lang ruhig liegen und spielte mit dem Gedanken, sich ganz der Mattigkeit hinzugeben. Doch die Neugier war eine fast ebenso starke Antriebskraft wie der Durst. Sie rollte sich auf den Bauch, stemmte sich vorsichtig auf Hände und Knie und richtete mit aller Behutsamkeit den Oberkörper auf, bis sie auf den Waden hockte und die Hände auf die Oberschenkel stützte. Kein verzerrter Blick - also leide ich wenigstens nicht an einer Gehirnerschütterung. Sie bemerkte etwas, das aussah wie eine verlassene Siedlung. Das Gebäude neben ihr wirkte wie ein Handelsstützpunkt oder ein Lager, und es konnte sicher nicht mehr lange dauern, bis es ganz verfallen war.
    Ein alter und brüchiger Pier erstreckte sich ins Wasser; einige Planken fehlten, und zwischen den anderen gab es hier und dort breite Lücken. Und das Wasser - eine glatte graue Fläche, die sich nur dann kräuselte, wenn der Wind darüber hinwegseufzte. Das Meer?
    Shadith konnte das andere Ufer nicht sehen. Nein, nicht der Ozean.
    Vermutlich einer der Ausläufer der Tah Badu-Bucht. Sie blickte auf das Bündel, auf dem zuvor ihr Kopf geruht hatte, und sie verzog das Gesicht. Meine eigenen Sachen. Die Harfenschatulle nur einen Schritt entfernt. Die Kerle haben alles mitgenommen. Sie starrte auf die Falten im Leder, die dicke Schicht aus feinem rotem Staub.
    Dieser Bereich der Küste bestand größtenteils aus rötlichem Boden, dessen oberste Schichten mit der Zeit zu einem Staub erodierten, der ebenso feinkörnig und schlüpfrig war wie ein auf Graphit basierendes Schmiermittel. Shadith wagte nicht darüber nachzudenken, wie ihre Harfe aussehen mochte, wenn sie jenen Ort erreichten, der das Ziel der Sendir darstellte. Linfyar hatte sich nicht weit entfernt zusammengerollt, umgeben vom Rest ihrer Ausrüstung. Er sah aus wie ein Haufen Elend. Jemand hatte ihm eine Schlinge um den Hals gelegt, und das andere Ende des Seiles war an einem im Boden steckenden Pfahl befestigt. Angebunden wie ein Tier. Shadith ballte die Fäuste und biß sich auf die Lippen, um den erneut in ihr emporbrodelnden Zorn im Zaum zu halten.
    Dafür würde jemand büßen müssen.
    Hier und dort standen kleine Gruppen aus Männern, die sich brummend unterhielten und immer wieder übers Wasser hinwegblickten. Einer hielt an der Ecke des Gebäudes Wache, eine Projektilwaffe unter den Arm geklemmt. Shadith sah die Mündung und schauderte bei der Vorstellung, wie eins der bleiernen Geschosse ihre Eingeweide zerfetzte. Die anderen Männer waren mit ähnlichen Waffen ausgerüstet, und einige von ihnen trugen Laserpistolen in Gürtelhalftern. Fast alle verfügten über lange Messer, und einer - er kauerte am Ende des wackeligen Piers führte etwas bei sich, das aussah wie ein überdimensionaler Fleischspieß. Seine Arme waren dicker als die Beine Shadiths, und die Schultern wölbten sich unter der ärmellosen Tunika, die offenbar als Hemdersatz fungierte. Der muskulöse Hüne erweckte den Eindruck, als könne er den Spieß mit einer einzigen Bewegung durch den Stamm eines der mächtigen Baumriesen im Wald treiben. Die Männer der Gruppe wirkten nicht sonderlich diszipliniert, doch es haftete ihnen etwas Militärisches an, was Shadith von der Stichhaltigkeit ihrer vorherigen Vermutung überzeugte. Mehr als einmal hatte sie Soldaten gesehen, die auf diese Weise warteten, mit jener Art von gereizter Geduld, die ihnen eingedrillt worden war. Nun, mit

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