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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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dieser Sache hat sich der Ajin selbst hereingelegt
    und mir einen Gefallen erwiesen, denn es stellt sich mir nicht mehr das Problem, ihn zu lokalisieren. Shadith richtete den Blick auf den am Pfahl festgebundenen Linfyar und atmete einige Male tief durch, wobei ihr Tränen des Zorns und der Wut in die Augen zu quellen drohten.
    Als sie sich wieder ganz unter Kontrolle hatte, trank sie aus der Flasche und lächelte angesichts des auffälligen Kontrasts zwischen den Rachegelüsten und ihrer derzeitigen Hilflosigkeit. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie aufmerksam den Wächter, als sie sich Linfyar näherte und neben ihm in die Hocke ging. Sie benutzte seine Muttersprache und murmelte: »Wie geht es dir, Linfy?«
    Er hob den Ellenbogen und grinste kurz.
    »Soll ich dich losbinden?«
    »Noch nicht«, flüsterte der Junge. »Ich kann mich jederzeit befreien, Schatten. Die Kerle haben das Messer in meinem Gürtel übersehen. Und ich schätze, je mehr sie mich unterschätzen, desto besser bin ich dran.« Er rollte sich auf die Seite und legte ihr die Hand aufs Knie. »Mach dir keine Sorgen, Schatten. Sollen sie sich so dumm aufführen, wie es ihnen beliebt - dann fällt es uns nachher leichter, sie fertigzumachen.«
    Shadith griff nach dem Fuß Linfyars, hielt ihn am großen Zeh fest. »Ich hätte es wissen müssen«, sagte sie.
    Ein kurzes und gedämpftes Kichern. »Ja, das hättest du.«
    Sie erinnerte sich nun wieder an das Leben, das er in seiner Heimat geführt hatte, daran, daß von Geburt an der Tod sein ständiger Begleiter gewesen war - nur weil ihm die Augen fehlten.
    Schon als umherkriechendes Kleinkind hatte er gelernt, sich zu verstellen, anderen etwas vorzuspielen. Als Aleytys und Shadith ihm auf Ibex begegneten, befand er sich auf der Flucht, um der Kastration zu entgehen, die seinen prächtigen Sopran erhalten sollte. Mit lächelnder Begeisterung und einem unerschütterlichen Selbstvertrauen stürmte er dem Unbekannten entgegen, verließ sich ganz darauf, es mit allen Problemen aufnehmen zu können, die das Leben ihm in den Weg stellte - ein neunjähriger Junge, der gewitzter und schlauer war als mancher Krieger. Er verschwendete keine Zeit mit Stolz, und er dachte auch nicht dar
    über nach, ob andere Leute ihn respektierten oder nicht. Er konzentrierte sich allein aufs Überleben. »Wie haben sie dich erwischt?« fragte Shadith.
    »Stülpten einen Sack über mich. Benutzten meine Hand, um die Tür der Unterkunft zu öffnen. Kurze Zeit später brachten sie dich. Räumten alles leer. Brachen mit uns auf. Zuerst befanden wir uns in einem Boot, für einige Stunden, und dann setzten die Burschen den Weg zu Fuß fort, nachdem sie uns an den Pflöcke festbanden.« Linfyar schnaubte verächtlich. »Ich erwog die Möglichkeit, laut zu schreien, als sie uns durch die Stadt schleppten, aber dich hatte es ziemlich erwischt: Du rührtest dich überhaupt nicht mehr. Deshalb hielt ich es für besser, mich bis zu deinem Erwachen zu gedulden, bis die Männer ihr Ziel erreichten, und ich entspannte mich einfach und wartete ab.« Er zögerte kurz.»Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich um Hilfe gerufen hätte.«
    »Ich bin froh, daß du das nicht getan hast. Weißt du, Linfy, ich glaube, wir haben es mit Männern des Ajin zu tun.« Shadith lachte leise. »Die ganze Zeit dachten wir über eine Möglichkeit nach, ihn zu finden, und jetzt hat er dafür gesorgt, daß man uns zu ihm, bringt.«
    Linfyar berührte ihre Hand. »Nun, ich habe gegen all das nichts einzuwenden - solange man mich nicht wieder an den verdammten Pflock fesselt.« Seine Lippen zitterten ein wenig, als er Shadith mit den Echos unhörbarer Pfiffe musterte. »Schatten?« Er klang nun besorgt, erinnerte plötzlich mehr an einen furchtsamen Jungen.
    »Deine Stimme hört sich seltsam an. Ist alles in Ordnung mit dir?
    Du warst lange Zeit bewußtlos.«
    »Ich habe stechende Kopfschmerzen, aber sonst geht es mir einigermaßen, Balg. Ich erhole mich rasch.«
    Linfyar seufzte und streckte die Beine. »Ich habe Hunger, Schatten.«
    »Wann ist das nicht der Fall? Nun, ich werde sehen, ob ich etwas Eßbares für dich auftreiben kann.«
    Shadith stand auf und verglich ihren Zustand mit dem des verwitterten Gebäudes. Von dem Senda war weit und breit nichts zu sehen. Sie schritt in Richtung des Wachpostens und blieb stehen, als dessen Züge erschlafften. Er starrte ins Nichts und gab unartikulierte Geräusche von sich. Sofort war ein zweiter Wächter zur Stelle

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