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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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gab; sie riskierte es, auch von diesen Freunden getrennt zu werden, doch andererseits vermochte sie nicht ohne Sympathie und Zuneigung zu leben. Willow wollte eher endgültig tot sein, ohne Hoffnung darauf, wiedererweckt zu werden, als ein Leben wie Hyaroll zu führen, ohne zu lieben und ohne geliebt zu werden.
    »Ein Halbblut! Die Karikatur einer Vryhh. Eine Schande.
    Zuerst hast du dagegen gestimmt. Sag etwas, Har! Warum bist du jetzt anderer Meinung? Nein, ich glaube nicht, daß du wirklich davon überzeugt bist, die Anerkennung sei richtig. Bestimmt hast du dich von ihr einwickeln lassen.« Die Besucherin fuhr mit ihrer Tirade fort und gab Hyaroll keine Möglichkeit zu einer Antwort.
    »Verdammte Bastardhexe. Sie kennt keine unserer Traditionen.
    Warum also sollten wir , . .« Und die bittere Stimme formulierte weitere Worte, verwendete einen Kraftausdruck nach dem anderen, ohne die gelangweilte Gleichgültigkeit Hyarolls erschüttern zu können.
    Bodri und Sonnenkind. Freunde. Die einzige Brücke, die für Willow die Kluft des zeitweisen Todes in der Stasisbox überspannte.
    Bodri arbeitete in den Blumenbeeten, sang seine brummigen Lieder den Würmern und Bienen und dicken Käfern. Er erledigte die Schädlinge und Parasiten mit den Brennhaaren, die auf einigen seiner vielen Finger wuchsen, schwankte zufrieden auf seinen sechs kurzen und stämmigen Beinen durch den Garten. Mit seinem hochgewölbten Rückenschild, auf dem Reben, kleine Sträucher und andere blühende Pflanzen wuchsen, die ihm als Austausch für die Kraft des Blutes, die sie ihm nahmen, die Energie des Sonnenlichts schenkten, sah er aus wie eine überdimensionierte Schabe.
    Doch statt hornigen Kiefern und Facettenaugen hatte er ein ledriges. schwarzes Gesicht wie das eines klugen alten Schafes. In den leuchtenden braunen Augen zeigte sich für gewöhnlich ein heiteres Glitzern angesichts der Absurditäten der Welt um ihn herum. Seine Schnauze war kürzer und flacher als die eines Schafes, Lippen und Zungen flexibler gestaltet, problemlos dazu in der Lage, die Worte zu artikulieren, die er fast ebensosehr mochte wie seine Pflanzen.
    Aus den Vorderschultern ragten vier Pseudopodien hervor, und jede davon wies sechs dünne und zarte Finger auf die sich durch eine erstaunliche Kraft auszeichneten …
    Willow zwinkerte und erinnerte sich an ihre Verwunderung, als sie ihn zum erstenmal gesehen und dabei beobachtet hatte, wie er mit der für ihn charakteristischen Hingabe im Garten jätete, wie er kranke Büsche aus dem festen Boden zerrte. Sträucher, die weitaus größer waren als er selbst. Hinter den kleinen runden Ohren sprossen Fühler, die aussahen wie Farnwedel. Sie sensibili-sierten seinen Hör-, Geruchs- und Tastsinn weit über das hinaus, was er mit Ohren, Nase und Fingern wahrzunehmen vermochte. Sie hatten sich nun teilweise zusammengerollt, damit ihm die laute und schrille Stimme der weiblichen Vryhh keine Schmerzen bereitete.
    Aber er hörte ihr ebenfalls zu, wie Willow wußte. Und er teilte ihre zunehmende Besorgnis.
    Bodri war länger hier als die meisten anderen Wesen der Sammlung, länger jedenfalls als diejenigen, die Willow
    kennengelernt und mit denen sie gesprochen hatte. Er gehörte zu den ersten Lebensform-Exemplaren, die Hyaroll in seinen Dom gebracht hatte. Der letzte Vertreter seiner Art - und darüber war er sich auch klar. Eines Tages, als seine Stimmung von leichter Melancholie getrübt gewesen war, erzählte er Willow von seinem Volk, vom Niedergang seiner Rasse, der längst ein bedrohliches Ausmaß angenommen hatte, noch bevor Hyaroll eintraf.
    Eine Spezies, die sich zu lange Veränderungen verweigerte, während sich die Welt um sie herum wandelte. Willow ging neben Bodri in die Hocke, strich sanft über die zähe und doch so empfindsame Haut eines Pseudopodiums und gab keinen Ton von sich, störte ihn nicht bei seiner Beschäftigung. Nach seinem fünften Erwachen, etwa vierhundert. Jahre nach der Gefangennahme durch Hyaroll, erwog er die Möglichkeit, dem Beispiel seines Volkes zu folgen und ebenfalls zu sterben. Er ließ sich in einer Ecke des Gartens nieder und rührte sich nicht mehr. Er nahm keine Nahrung zu sich, schlief nicht, reduzierte langsam die energetischen Prozesse von Körper und Geist. Doch Hyaroll hatte bereits zuviel über ihn in Erfahrung gebracht und gewährte ihm nicht den Tod. Bodri wußte nicht, was der Vryhh damals mit ihm angestellt hatte; in dieser Hinsicht war seine Erinnerung nur vage und

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