Das Erbe des Alchimisten
glaube, ich bin hier, seitdem du aus dieser Gegend verschwunden bist.«
Ein merkwürdiges Gefühl überkommt mich, aber ich reiße mich zusammen. Ich muß mich mit wichtigeren Dingen beschäftigen als mit diesem merkwürdigen alten Mann.
»Das letztemal war ich vor einigen Monaten hier«, sage ich und greife in meine Tasche. »Kann ich dir ein kleines Entgelt…«
»Dann halte ich mich seitdem hier auf«, unterbricht er mich. »Ich wußte, daß du zurückkommen würdest.«
Ich halte in der Bewegung inne, während meine Hand einige Zwanziger umfaßt. »Ich weiß nicht, worüber du redest«, sage ich ruhig.
Er grinst listig. »Ich brauche dein Geld nicht.« Dann wendet er sich ab und schlurft die Straße hinunter. »Tu, was du tun mußt. Niemand kann dir nachsagen, daß du dich nicht wirklich bemüht hättest.«
Ich starre ihm hinterher, während er in der Nacht verschwindet.
Merkwürdiger alter Bursche. Seinen Einkaufswagen hat er hier stehenlassen.
Wie wohl sein Name sein mag?
Das Gefrierabteil des Eiswagens ist verschlossen, aber es gelingt mir, das Schloß mit einem Stein aufzubrechen. Dabei hätte ich schwören können, daß ich das Schloß schon beim letztenmal aufgebrochen habe, als ich hier war. Das Innere ist eiskalt. Mit einer Taschenlampe in der Hand schaue ich mich um.
Direkt hinter der Tür befindet sich eine kleine Platte aus gefrorenem Blut.
Ich schiebe meinen Fingernagel darunter und löse die Scheibe ab. Plötzlich überkommt mich das Gefühl unendlicher Macht. In meinen Händen halte ich die Unsterblichkeit, und irgendwie ist es mir, als ob Krishna dieses Blut gerettet hätte, damit ich es schließlich finde. Wieder in meinem eigenen Wagen angekommen, breche ich das Eis in kleine Stücke und lasse es in einem Gefäß, das ich mitgebracht habe, schmelzen.
Jetzt muß ich zurück nach Las Vegas fahren. Wäre es nicht mitten in der Nacht, würde ich fliegen, doch so bleibt mir keine andere Möglichkeit, als zu fahren – was mich zumindest vier Stunden kosten wird. Natürlich muß ich davon ausgehen, daß Arturos Haus von Agenten der Regierung bewacht wird. Aus der Zeitung weiß ich, daß der nukleare Staub aus der Explosion nicht über der Wüste niedergegangen ist. Ich weiß nicht, ob meine Gegner davon ausgehen, daß ich tot bin.
Die Sonnenstrahlen werden meine Umwandlung ermöglichen. Entscheidend ist, daß mir möglichst viel Zeit verbleibt, um die Transformation in Ruhe durchzuführen. Natürlich besteht trotzdem die Chance, daß ich ende wie Ralph – als ein blutdürstiges Ungeheuer. Aber ich habe keine andere Wahl als dieses Experiment zu vollziehen. Meine Menschlichkeit aufzugeben, nach der ich mich so lange gesehnt habe, wird mir schwerfallen, doch ich muß zugeben, daß ein Teil in mir stets nach meiner alten Macht gestrebt hat. Es wird ein gutes Gefühl sein, meiner Tochter auf gleicher Ebene entgegenzutreten und ihr endlich nicht mehr unterlegen zu sein.
Ich werde sie nicht wissen lassen, mit wem sie es zu tun hat – bis es zu spät ist.
18.
Kapitel
Die Fahrt nach Las Vegas ist angenehmer, als ich sie mir vorgestellt habe. Es entspannt mich, allein über die leere dunkle Straße zu rasen. Ich stelle den Tempomat auf achtzig Meilen ein und halte gleichzeitig nach Polizeikontrollen Ausschau. Die Zeit wird mir nicht lang, bis ich die bunten Lichter der Stadt entdecke, die als größte Spielhalle der Welt in die Geschichte eingehen wird. Heute werde auch ich die roten Würfel werfen – und um eine glückliche Zusammenstellung meiner DNS bitten. Im Osten ist der Himmel bereits in ein warmes rötliches Licht getaucht. Ich parke einen Block von Arturos Haus entfernt und schaue mich nach Leuten um, die wie FBI-Agenten, Cops oder Armeeangehörige aussehen. Doch um mich herum scheint alles ruhig, eine verlassene, nicht mehr bewohnte Armeestation. Ich klettere über den Zaun hinter Arturos Haus und brauche weniger als eine Minute, um durch ein geöffnetes Fenster ins Haus zu schlüpfen. Ein postkartengroßes Foto steht in einem billigen Rahmen auf dem Küchentisch. Es zeigt Arturo und mich nachts zusammen auf dem »Strip«, der großen Straße, die durch Las Vegas führt und zu deren beiden Seiten sich die Casinos reihen. Damals hielt ich ihn noch für einen glücklosen Regierungsangestellten. Als ich das Bild sehe, halte ich inne. Ich nehme es in die Hand und betrachte Arturos Gesicht. Seine Züge erinnern mich an jemanden, den ich sehr gut kenne.
»Du bist Kalikas Vater«, murmele ich
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