Das Erbe des Atoms
Stunden folgten, während die Truppen, ihre Fahrzeuge, Waffen und Versorgungsgüter entladen wurden.
Der Morgen kam, ohne daß die Invasionsstreitmacht angegriffen wurde. Zwei Stunden nach Tagesanbruch hatte die Armee sich formiert und begann gegen die Stadt vorzurücken. Bald erreichte die Vorhut eine Anhöhe am Rand des großen Tales, in dessen Mitte Oslin lag. Wenige Minuten später jagte ein Melder zurück zu Prinz Creg. Er hatte eine unglaubliche Tatsache zu berichten: Im Tal zwischen der Stadt und den Angreifern hatte eine ganze marsianische Armee Stellung bezogen, eine so gewaltige Armee, daß ihre Zelte und Fahrzeuge im Dunst der Ferne verschmolzen.
Der General ging selbst nach vorn, um die Lage zu prüfen. Seine Adjutanten sagten später, er sei nie ruhiger gewesen als in den Minuten, da er über das Tal hinausblickte. Aber seine Hoffnungen auf einen schnellen Überraschungssieg mußten in diesem Moment zunichte geworden sein. Die Armee mußte die Hauptstreitmacht der Marsianer sein und ihre Stärke wenigstens hundertfünfzigtausend Mann betragen. Creg vermutete, daß sie von König Winatkin selbst befehligt wurde.
Er hatte bereits den Entschluß gefaßt, den Gegner sofort von zwei Seiten anzugreifen, als Tiefflieger den Hügel attackierten. Als sie nach mehreren Anflügen abdrehten, waren achtundvierzig Mann der Vorhut tot oder verletzt. Der Befehlshaber war unverletzt geblieben, aber es war zu knapp abgegangen, als daß er Erleichterung hätte empfinden können. Rasch gab er die nötigen Befehle.
Sein Plan war einfach. König Winatkin und sein Generalstab wußten zweifellos, daß ein Angriff bevorstand. Aber offenbar wußten sie nicht, daß die Invasoren schon so nahe waren. Ein schneller Überraschungsschlag zur Überrumpelung des Gegners schien Prinz Creg noch immer möglich.
Dieser Überraschungseffekt war der einzige Grund, daß der Ausgang des Gefechts eine Zeitlang zweifelhaft schien: Die Angreifer kämpften gegen eine sechsfache Übermacht. Anfangs war die Verteidigung planlos und unüberlegt, aber bald formierten die Verteidiger sich zu Gegenangriffen, und die erdrückende Übermacht tat das ihre. Die Verluste auf beiden Seiten waren hoch, und als er bis zum Nachmittag noch keinen entscheidenden Durchbruch erzielt hatte, ordnete Prinz Creg den Rückzug an. Seine Schwierigkeiten waren damit noch lange nicht ausgestanden. Als seine Truppen sich kämpfend zurückzogen, wurden sie von schnellen Einheiten des Gegners umgangen und im Rücken angegriffen. Der Weg zu ihrem Lager war versperrt, und um sich der drohenden Einschließung zu entziehen, blieb nur noch der Rückzug durch die Wüste.
Der Einbruch der Dunkelheit rettete die Armee vor der Katastrophe. Creg ließ die Truppen bis nach Mitternacht marschieren, bevor er ihnen eine Ruhepause gestattete. Für ihn selbst gab es in dieser Nacht keinen Schlaf. Mit Blinklichtern verständigte er die Versorgungsschiffe, die außerhalb der Marsatmosphäre warteten. Ein Dutzend von ihnen ging vorsichtig nieder und landete, um Verwundete an Bord zu nehmen und Ausrüstungen sowie Proviant abzugeben. Man rechnete mit Tieffliegerangriffen, aber nichts geschah, und nach zweistündiger Ruhepause setzten sie ihren Rückzug fort. Als der Morgen graute, hatten sie sich der drohenden Umklammerung durch den Gegner entzogen.
Das neue Material half ihnen über den folgenden Tag hinweg. Der Feind stieß nach und bedrängte sie unaufhörlich, doch bald wurde deutlich, daß König Winatkin seine Streitkräfte nicht effektiv genug einsetzte. Die Anstrengungen des Gegners waren ungeschickt, und seine schwerfälligen Manöver kamen meistens zu spät. Cregs bewegliche Invasionstruppen hatten keine besonderen Schwierigkeiten, sie bis zum Abend weitgehend auszumanövrieren, und als es dunkelte, gelang es ihnen, sich ganz vom Gegner zu lösen. Die Verluste dieses Tages waren gering und hauptsächlich auf Tieffliegerangriffe zurückzuführen; doch nachdem mehrere der angreifenden Maschinen abgeschossen worden waren, hielten die übrigen sich zurück.
In dieser Nacht bedurfte die Invasionsarmee einer dringend benötigten Ruhepause, und General Cregs Hoffnungen kehrten zurück. Notfalls konnte er nun seine Streitkräfte wieder einschiffen und den Planeten ohne weitere Verluste verlassen. Es war ein verlockender Gedanke, der zu seiner privaten Überzeugung paßte, daß ein so schlecht begonnener und überdies ungerechter Krieg keine Erfolgsaussichten hatte.
Doch zögernd setzte
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