Das Erbe des Blutes - Roman
einem Tumult. Bei Anbruch der Nacht stapfte eine Gruppe von Rabauken Fackeln schwingend über die Grenze nach Shepherd’s Bush Common, da sie von einem mit Blut besudelten Bettler gehört hatten, der sich ganz in der Nähe befinden solle. Da sie annahmen, er sei der Schuldige, machten sie sich auf die Suche, schikanierten unzählige Verwahrloste, welche ihr armseliges Dasein auf dem Stück Land fristen, das Green genannt wird. Als sie auf einen verängstigten Zigeuner stießen, schlug der blutrünstige Mob ihn fast besinnungslos. Die arme, offenbar unschuldige Seele erlag ihren Verletzungen.
Foster hielt beim Lesen inne. »Hier schlägt er noch mal zu«, sagte er mit trauriger Stimme.
Hinter seinem Rücken gab Heather flüsternd ihrer Fassungslosigkeit Ausdruck.
Mit großer Betrübnis und zunehmender Entrüstung berichten wir, dass der Kensington Killer ein weiteres Mal zugeschlagen hat und in unserem kleinen Teil der Welt noch mehr Angst und Hysterie verbreitet. Weniger als 72 Stunden nach dem Fund der Leiche des armen Allman stieß am 8. des Monats beim ersten nachmitternächtlichen Glockenschlag der All Saints Church am Powis Square ein Passant auf die leblose Gestalt von William Kelby, einem vierzig Jahre alten Stoffhändler. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten.
Dieser verfluchte Wahnsinnige hatte abermals sein Frevelwerk verrichtet, bevor er in die Sicherheit der Dunkelheit entschwand.
In ihren Bemühungen zu verhindern, dass dieser Missetäter fast nach Belieben Menschen hinmeuchelt, hat die Polizei vollauf versagt. Nun sind es fünf arme Unglückselige, die durch einen einzigen Stich ins Herz ermordet wurden. Außenstehende fangen an, North Kensington, Notting Hill und den Dale als Höhlen der Niedertracht anzusehen. Wir sind hier sozusagen mit dem Kainsmal gebrandmarkt. Wer kann leugnen, dass diese Gegend nun aufgrund eines bisher ungeahnten Verbrechens mit einem Makel behaftet ist? Es liegen fünf Verbrechen vor, bei denen die Polizei vergeblich nach Hinweisen suchte und es ihr nicht gelang, den Unmenschen dingfest zu machen.
Wir ersuchen sie, den Schuldigen zu fassen. Nein, im Namen unserer verängstigten Leser verlangen wir es.
Drei Opfer in acht Tagen, überlegte Foster. Fünf innerhalb von zwei Wochen. Selbst wenn das so gut wie außer Frage stand, bestätigte es doch seine Ansicht, dass hier ein persönliches Motiv vorlag. Ein einfacher Nachahmungstäter hätte sich bestimmt einen Killer mit einem weniger gedrängten Terminplan ausgesucht.
In der Ausgabe der darauffolgenden Woche wurde bekanntgegeben, dass die Polizei drei Tage nach dem Fund des fünften Opfers einen dreißig Jahre alten Kleinpächter namens Eke Fairbairn verhaftetet hatte. Barnes erklärte ihm, der Name würde »hübsches Kind« bedeuten, was angesichts der Beschreibung, die die Zeitung von Fairbairn lieferte, ganz schön zynisch war: ein »Riese«, der einen »schaurigen
Anblick bot«. An der Bahnstation in Notting Dale hatte sich ein Mob versammelt, Hunderte von Menschen, die den Tod des Verdächtigen forderten. Es wurden ein paar provisorische Galgen aufgestellt.
Die Polizei gab sich der Presse gegenüber zuversichtlich hinsichtlich der Verhaftung. Die Nachbarn des Verdächtigen standen Schlange, um zu bestätigen, dass sie schon immer gewusst hatten, was für ein schlechter Mensch er sei und dass er schon immer etwas Unstetes an sich gehabt habe. Er war alleinstehend, seine Eltern, die mit ihm im Haus lebten, waren jedoch gezwungen, aus der Gegend wegzuziehen. Ob aus Scham oder weil vom Mob tyrannisiert, ging daraus nicht hervor. Dann hatte man den Verdächtigen verurteilt. Die Zeitung, die ehedem die Polizei für unfähig erklärt hatte, änderte ihre Meinung nun grundlegend: Jetzt feierte man die Ermittler und den Polizeiinspektor, der den Fall geleitet hatte, wenn auch mit einem Vorbehalt. »Wir vertrauen darauf, dass es zu einer Verurteilung kommt«, verkündete ein Leitartikel drohend.
Fosters Handy klingelte und katapultierte ihn wieder zurück in das 21. Jahrhundert. Drinkwater.
»Andy«, sagte Foster.
»Wie läuft’s, Sir?«
»Er hat fünf Leute umgebracht.«
Drinkwater stieß einen Pfiff aus. »Dann kommen noch zwei weitere.«
»Was gibt’s?«
»Wollte Ihnen nur sagen, dass das erste Opfer offiziell als Graham Ellis identifiziert worden ist.«
»Hat die Exfrau irgendwas Interessantes von sich gegeben?«
»Nicht wirklich. Sie hatte während der letzten zwölf Monate
keinen Kontakt mehr zu ihm.
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