Das Erbe des Blutes - Roman
ungefähr einem Jahr. Sie waren fasziniert. Wie schon gesagt: Die meisten Leute, die sich für Familiengeschichte
interessieren, fühlen sich mit allen ihren Vorfahren verbunden, nicht nur mit denen, die das meiste Geld gemacht oder die größte Anzahl von Kindern in die Welt gesetzt haben.«
»Haben Sie bemerkt, dass jemand Ihren Worten übertriebene Aufmerksamkeit schenkte? Viele Fragen stellte?«
Fairbairn lächelte etwas herablassend. Wenn er nicht so müde gewesen wäre, hätte Foster das ziemlich angewidert.
»Detective, ich bin neunundvierzig und abgesehen von der einen oder anderen Ausnahme im Vergleich zum Rest der Gruppe ein junger Spund. Niemand von denen ist körperlich in der Lage, einen Mord zu begehen. Aber morgen Abend findet unser monatliches Treffen statt. Sie könnten mitkommen und selbst sehen, ob Sie einen möglichen Killer entdecken.«
Foster lächelte müde und schrieb sich den Namen des Vereins und der Schriftführerin auf. Der Kreis derer, die von dem begangenen Unrecht wussten, hatte sich mit einem Mal vergrößert, wo er doch das genaue Gegenteil hätte gebrauchen können, dachte er trübsinnig.
Foster erhob sich zum Gehen.
»Was veranlasst Sie zu denken, dass Eke unschuldig war?«, fragte Fairbairn.
»Ich habe dafür ein Gespür«, war alles, was Foster dazu sagte. Er erwähnte nicht, dass Fairbairns Vorfahre geschlagen wurde und man seinen Willen gebrochen hatte, bevor man ihn aufknüpfte. Er glaubte, dass Fairbairn das nun selbst herausfinden würde.
»Schon seltsam«, sagte er, als er Foster und Drinkwater zur Haustür begleitete. »Genau darüber habe ich vor Kurzem mit meinem Bruder gesprochen. Als ich damit begann, unsere Familie zu erforschen, war meine Mutter, die vor vier Jahren starb, sehr unglücklich darüber. Sie sagte mir,
ich solle das lassen, weil es in der Familie einen Mörder gegeben habe. Damals hörte ich zum ersten Mal von der Sache. Bis zu ihrem Tod wollte sie nichts davon wissen. Für sie war es eine Schande. Jahrelang blieb es ein dunkles Familiengeheimnis, man redete kaum darüber. Und jetzt stellt sich heraus, dass es überhaupt nichts gab, weswegen wir uns hätten schämen müssen, weil er unschuldig war.«
Sie verabschiedeten sich. Foster war verwundert. Die Familie schämte sich also Ekes wegen? Das bedeutete möglicherweise, dass Clara niemandem von der Unschuld ihres Bruders erzählt hatte. Vielleicht nahm auch sie an, dass ihr Bruder schuldig war.
»Interessant, dass er der Geschichte auf den Grund gegangen ist, nicht?«, meinte Drinkwater. »Vielleicht hat er gelogen, als er sagte, er wüsste nichts von dem Justizirrtum.«
Foster schüttelte den Kopf. »Das glaub ich nicht.«
Er dachte daran, was Fairbairn über die Einstellung seiner Mutter ihrem Vorfahren gegenüber erwähnt hatte, und das stimmte ihn traurig. Eke Fairbairn hatte man nicht nur zum Sterben verdammt, sondern sein Name war auch mehr als ein Jahrhundert lang für die gesamte Familie ein Schandfleck gewesen.
Nigel hörte um zehn Uhr mit der Arbeit auf, da die Register vor seinen Augen verschwammen und sich bereits Kopfschmerzen ankündigten. Er wollte nach Hause, ein paar Stunden schlafen und dann wieder erholt zum FRC zurückkehren. Er ging davon aus, dass er den nächsten Tag dort verbringen würde. Höchstwahrscheinlich auch die Nacht.
Aber in seiner Wohnung angekommen, ließ er sich nur auf das Sofa plumpsen. Ich könnte auch hier einfach so einschlafen,
dachte er, und rieb sich immer wieder mit den Händen das Gesicht: Namen, Daten und Aktenzeichen geisterten in seinem Kopf herum. Er machte BBC-Radio an, sein ständiges Hintergrundgeräusch. Selbst wenn er schlief, ließ er den Apparat an: ein leises Gemurmel in der Nacht. Besuchern gegenüber witzelte er, er würde versuchen, so viel Infos wie möglich aufzunehmen, selbst wenn er sich ausruhte. Ein lispelnder Mann mit hoher Stimme las Ausschnitte aus einem Buch, einer Art Reisebericht. Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss die Augen.
Die Türklingel ließ ihn hochschrecken. Wer, zum Teufel, war das so spät noch? Er ging zur Gegensprechanlage.
»Hallo«, sagte er genervt und in Erwartung eines Betrunkenen, der die falsche Appartementnummer gewählt hatte.
»Hier ist Heather.«
»Oh.«
»Entschuldigung. Hab ich Sie aufgeweckt?«
»Nein, überhaupt nicht. Bin gerade erst wieder zurück. Hatte nur das Radio an und …«
»Kann ich reinkommen? Shepherd’s Bush ist zwar klasse, aber ich würde ungern hier
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