Das Erbe des Bösen
Stormare, wie geht es Ihnen?«, fragte Stone so freundlich wie möglich. Er blickte auf Wheeler-Dawson, in deren Augen Skepsis aufblitzte: Wie konnte der Mann ausgerechnet jetzt mit einem Frauenzimmer plaudern? Stone setzte das Gespräch unbeirrt fort.
»Sie waren vor etwa zwei Monaten bei mir.«
»Ich erinnere mich sehr gut daran, Frau Stormare. Ist Ihnen etwas Neues eingefallen?«
»Ich sagte Ihnen, ich hätte niemandem etwas von dem Uranversteck erzählt. Aber mittlerweile ist mein Sohn Erik bis zu einem gewissem Punkt mit den Dingen vertraut und interessiert sich sehr . . .«
»Wo ist Ihr Sohn jetzt?«
»Ich weiß es nicht«, sagte die Frau gequält. »Das bereitet mir ja gerade Sorgen. Ich will wissen, was los ist. Könnten wir uns morgen treffen?«
»Ich rufe Sie später zurück.«
»Nein. Ich muss jetzt . . .«
»Einer unserer Leute wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Warten Sie solange in Ruhe ab.«
Stone legte auf.
»Scheint ja ein wichtiges Gespräch gewesen zu sein«, merkte Wheeler-Dawson trocken an.
Stone antwortete nicht.
»Ihr habt verlangt, dass wir uns aus eurer Operation heraushalten – und das ist nun das Resultat«, fuhr Wheeler-Dawson mit eisiger Stimme fort. »Ich will auch den Rest von all dem hören, was ihr mir verheimlicht habt. Alles.
Und zwar sofort
.«
|437| »Du weißt, dass das alles sehr komplexe . . .«
»Ich warne dich, David. Du solltest jetzt besser reden.«
Stone schaute der MI 5-Chefin in die Augen und richtete den Blick dann nervös auf die Rückenlehne des Vordersitzes. Seine Miene verdüsterte sich.
»Ich muss mich darüber mit meinem Vorgesetzten beraten.«
»Ach, den gibt es? Ich dachte, ihr seid autark und in Langley kommt euch niemand in die Quere.«
Stone seufzte resigniert. Sie passierten gerade das Parlamentsgebäude. »Du weißt, wie es mit dem Beweismaterial zu Saddams Massenvernichtungswaffen gelaufen ist . . .«
»Und ob ich das weiß«, sagte Wheeler-Dawson lakonisch.
»Zur Legitimation des Angriffs brauchten wir Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen, aber die haben wir nicht gefunden. Das hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen und die Welt gegen uns aufgebracht. Im Iran dürfen wir diesen Fehler nicht wiederholen. Und im Gegensatz zum Irak stellt der Iran eine gewaltige Gefahr für den Weltfrieden dar. Wir müssen im Iran zuschlagen, aber wir brauchen einen echten Grund für die Offensive. Wir brauchen einen realen, konkreten Beweis für die Gefährlichkeit dieses Staates, damit die Welt unser Vorgehen akzeptiert. Genauer gesagt muss der Beweis sogar von einer solchen Qualität sein, dass die Öffentlichkeit einen Angriff geradezu
verlangt
.«
»Und ihr habt beschlossen, euch diesen Beweis in London zu beschaffen und dafür gesorgt, dass eine echte Bombe hierherkommt.«
»Die Geschichte musste echt sein. Also musste auch die Bombe echt sein. Und die Situation, in der MI5 und Polizei im letzten Moment ein Attentat verhindern, musste ebenfalls authentisch sein. Ihr hättet euch jede Menge Achtung verschafft und Unterstützung in den Verhandlungen, bei denen euer Etat festgesetzt wird. Hätte man euch im Voraus über die Operation in Kenntnis gesetzt, hättest du sie nicht akzeptiert. Darum war es besser, dass du nichts davon wusstest.«
|438| »Wie habt ihr der Gruppe das U-235 besorgt?«
»Malek Bahrami, einer unserer eingeschleusten Agenten, die wir über das Bundesamt für Verfassungsschutz in Berlin bekommen haben, hat von einem Fund berichtet, den sein Kontaktmann, ein Berliner Trödelhändlerr, gemacht hatte. Im Nachlass eines Physikers aus der Nazizeit waren Dokumente aufgetaucht. Sie tangierten die Kernforschung, und aus ihnen ging hervorr, dass eine kleine Menge angereichertes Uran kurz vor Kriegsende versteckt worden war. Wir nahmen Routineüberprüfungen vor und stießen in unseren Archiven auf eine Person namens Ingrid Stormare, die uns bereits 1968 die Information weitergab, ihr Mann sei beim Verstecken einer Portion angereicherten Urans von den Nazis dabei gewesen. Diese Frau Stormare war eine alte Bekannte von uns. Sie hatte in den Sechzigerjahren schon als Cäsiumexpertin für die CIA gearbeitet und sensible Untersuchungen der Auswirkungen von Radioaktivität durchgeführt. Wir lenkten Maleks Gruppe auf die Spur des Verstecks, weil sich damit für sie ein Weg zur schmutzigen Bombe auftat. Damit kein Verdacht aufkam, konnten wir ihnen das Uran nicht vor die Haustür legen, sie mussten es sich
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