Das Erbe des Greifen
nicht«, sagte die Hüterin schließlich. »Aber das werden wir nachholen.«
»Gut«, meinte Marten und verstaute die Karte wieder vorsichtig in seinem Rollenbehälter. »Ich fliege jetzt nach Lytar zurück. Irgendwelche Nachrichten?«
»Berichte Pulver einfach, was du weißt«, trug ihm Ralik etwas mürrisch auf.
»Das werde ich tun, Zwerg«, nickte Marten, salutierte der Hüterin auf die alte Art, machte auf dem Absatz kehrt, ignorierte dabei wiederum die Blicke der Anwesenden und verließ ohne ein weiteres Wort die Gaststube. Ralik sah dem Falkenreiter hinterdrein, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dann wandte er sich an Meliande.
»Eines sage ich Euch«, tat er grimmig kund. »Ich war bislang mehr als geduldig mit ihm. Aber wenn er mich noch einmal Zwerg nennt, kann ich für nichts mehr garantieren.« Er griff nach seinem Hammer. »Und jetzt sehe ich mir diesen Kronok an.«
»Der Anblick dieses Wesens wirkte gewiss ernüchternd auf die Leute«, vermutete Lamar. »Ich hoffe, sie waren danach nicht allzu entmutigt.«
»Entmutigt?«, wiederholte der Geschichtenerzähler erstaunt, während einige Leute im Raum leise lachten.
»Etwa nicht?«
»Wieso sollten sie? Immer wieder hatten wir davon gehört, wie unbesiegbar diese Kronoks waren. Nun aber hatte bereits eine der unseren, Vanessa, Tarions Schwester, einem dieser Wesen im Kampf getrotzt, und hier lag ein weiteres, durch einen einzigen Schuss zu Boden gefällt. Man konnte sie also töten … das war alles, was zählte. An jenem Abend wurden etliche Trinksprüche auf Garret ausgebracht und einige Wetten abgeschlossen, ob es auch anderen gelingen würde, einen Pfeil durch ein geschlossenes Visier zu schicken. Schließlich war eine Goldkrone auch nicht viel größer.«
Lamar schüttelte erheitert den Kopf.
»Kann es denn sein, dass einfach nur niemand richtig begriffen hat, was für einer Kreatur er da in Wirklichkeit gegenüberstand?«
Der alte Mann schmunzelte. »Damit habt Ihr gewiss Recht, Freund Lamar. Keiner von uns war vorher aus diesem Tal herausgekommen, und unsere Vorstellungen von der Welt waren mehr als unvollständig. Natürlich wussten wir nicht, worauf wir uns einließen … und im Nachhinein betrachtet, war das sogar ein Segen!«
»Wie meint Ihr das?«
»Nun, solange man nicht weiß, dass etwas unmöglich ist, hält man es ja vielleicht für möglich, nicht wahr?«, grinste der alte Mann.
»So jedenfalls erging es auch Argor. Er dachte an alles Mögliche, an seinen Vater, an die Freunde, die er verloren glaubte, aber ganz gewiss nicht daran, dass er auf verlorenem Posten stehen könnte …«
Ein Korb für Darkoth
Argor griff sich einen Apfel aus der Auslage eines Straßenhändlers, warf dem Mann einen Kupfer zu und schlenderte auf die andere Straßenseite hinüber, wo an einem Brett ein paar Steckbriefe aufgehängt waren.
Knorre befand sich auf dem Weg der Besserung, wenigstens behauptete das Leonora. Und so, wie die beiden miteinander stritten, gab es für Argor keinen Anlass, an ihrem Urteil zu zweifeln. Knorre war zwar immer noch nicht gut zu Fuß, aber durchaus imstande, die eine oder andere lautstarke Auseinandersetzung zu führen.
Während der letzten zwei Tage hatte sich Astrak im Haus nützlich gemacht und Besorgungen für die Frauen erledigt. Er musste Sina zustimmen, der Aufenthalt in einem Freudenhaus hatte sich in der Tat äußerst interessant für ihn entwickelt. Argor schmunzelte bei dem Gedanken, Garret und Tarlon bald davon erzählen zu können, natürlich nur, wenn Vanessa nichts davon mitbekam!
Dann fiel ihm wieder ein, dass Tarlon und Garret ja tot waren, von der Flutwelle weggespült, die er und Knorre ausgelöst hatten. Er bleib stehen, holte tief Luft, ballte die Hände zu Fäusten und schloss die Augen. Elyra hatte ihm damals gesagt, dass sich seine Freunde an seiner Stelle genauso entschieden hätten, und er wusste, dass sie Recht hatte. Zudem hatte er, als er zusammen mit Knorre das Ventil geöffnet hatte, nicht damit gerechnet, dass sie selbst die Flut überleben würden. Dennoch tat es weh, an die beiden zu denken, an sie und an all die anderen, die diesem Krieg bereits zum Opfer gefallen waren!
Verstohlen wischte er sich die Augen, es half ja doch nichts, was geschehen war, war nun einmal geschehen! Sie alle waren in der Hand der Göttin. Da war es wohl kaum von Nutzen, wenn er sich wegen etwas zerfleischte, das er nicht mehr ändern konnte, zumal er andere Probleme hatte!
So
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