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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl A. DeWitt
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muss Garret Recht geben: Wenn wir über die Vergangenheit nichts wissen, werden wir auch nichts aus ihr lernen können.«
    Die Bardin zügelte ihr Pferd und lenkte es zur Seite.
    »Hör zu, Vanessa«, sagte sie in ernstem Ton. »Es gab vieles, was zum Untergang eurer Vorfahren beitrug. Die Machtbesessenheit des Reichs, die Herablassung, mit der man anderen Völkern begegnete, die ungeheure Macht und scheinbare Unbesiegbarkeit des Greifen. Ihr wisst schon alles, was es zu wissen gibt. Um es kurz zu sagen: Macht und Überheblichkeit führten zu maßlosem Handeln.«
    »Aber was geschah genau?«, bohrte Garret nach. »Könnt Ihr es uns nicht einfach sagen?«
    Ihr Gesicht verdüsterte sich.
    »Es würde euch nicht weiterhelfen, Garret.«
    »Ich bitte Euch Sera. Könnt Ihr nicht verstehen, wie wichtig das für unsere Zukunft ist?«
    Die Bardin seufzte. »Also gut, ich werde es euch erzählen. Der letzte König von Lytar hinterließ bei seinem Tod zwei Kinder. Da sie Zwillinge waren, wurde beschlossen, dass der hohe Rat der Stadt gemeinsam mit der Priesterschaft der Mistral bestimmen sollte, wer von den beiden die Krone tragen durfte. Als der Prinz erfuhr, dass man sich für seine Schwester entschieden hatte, erhob er sich gegen sie. Er schwor, nicht eher zu ruhen, bis ihm zuteil wurde, was er für sein Geburtsrecht hielt. Am Vorabend der Krönung schickte er seine treuesten Leute, allesamt Leibgardisten, die durch den Eid an ihn gebunden waren, in den Tempel der Mistral, um sich mit Gewalt die Insignien der Macht anzueignen. Als ihm auch dort die Krone verwehrt wurde, ließ er in seinem Zorn die Priesterinnen erschlagen. Was darauf folgte, wisst ihr. Seit diesem fernen Tag wurde sein Name nicht mehr genannt.«
    »Das ist wahrlich eine üble Geschichte«, meinte Garret betroffen. »Also waren es die Gier und der Zorn eines Einzigen, die all dies Unheil über uns brachten? Wie hieß der Prinz?«, fragte er dann.
    »Könnt Ihr Euch das nicht denken?« Die Bardin sah ihn ernst an. »Damals wie heute trägt das Unheil den gleichen Namen. Belior. Es ist ein alter Name, doch nach der Katastrophe wurde er von den Überlebenden nicht mehr verwendet. Manche, die so hießen, benannten sich sogar um. Ich hatte bereits ein ungutes Gefühl, als ich zum ersten Mal von diesem Belior hörte, der uns nun aufs Neue bedrängt.«
    »Meint Ihr, es könnte derselbe sein?«, fragte Vanessa vorsichtig.
    Die Bardin sah sie beinahe erschrocken an.
    »Nein!«, rief sie, aber allein der Gedanke, es könne doch so sein, ließ sie bleich werden. »Der Prinz wurde von Loivan für seine Verbrechen gerichtet! Das ist Jahrhunderte her! Beliors magische Talente mögen groß gewesen sein, aber er war nur ein Mensch und zudem noch wahnsinnig. Die Strafe, die Lytar ereilte, wäre eine Farce gewesen, wenn dieser Mann entkommen wäre … nicht einmal eure Götter können so grausam sein! Doch selbst wenn es ihm damals gelungen wäre, sich der Strafe zu entziehen, wäre er inzwischen an Altersschwäche gestorben. Ganz gewiss werden seine Knochen irgendwo verrotten!«
    »Ich hoffe, er starb so, dass er seine Taten noch bereuen konnte«, meinte Garret hart.
    »Seid ihr nun zufrieden?«, fragte die Bardin etwas kühl.
    »Ja«, antwortete Garret mit einem erleichterten Lächeln. »Es war die Tat eines Einzelnen. Nicht jeder in Lytar trug Schuld. Das ist es, was ich zu hören gehofft hatte.«
    Die Bardin sah ihn ernst an. »Aber trägt nicht auch jeder, der es so weit kommen ließ, einen Teil der Schuld? Jeder, der wusste, wie gefährlich er war, und es dennoch ignorierte? Der ihn gewähren ließ, weil er ein Prinz war?«
    »Nun verstehe ich, warum wir heute einen Rat haben, der unsere Geschicke lenkt«, meinte Vanessa nachdenklich. »Damit soll verhindert werden, dass so etwas jemals wieder geschieht.« Sie warf einen kurzen Blick zu Garret hinüber und wendete sich dann erneut der Bardin zu. »Sera, Ihr habt die Befürchtung geäußert, dass Lytar wieder zu alter Macht und alter Grausamkeit erwachen könnte. Damit habt Ihr auch bei uns Zweifel gesät. Doch nun können wir mit Bestimmtheit sagen: So etwas wird nicht geschehen!«
    »Ich hoffe, ihr behaltet Recht«, sagte die Bardin, während sie weiterritten. Sie suchte Garrets Blick. »Habt Ihr nun genug erfahren, Garret? Könnt Ihr mir nun meinen Frieden lassen?«
    »Ja, Sera«, antwortete Garret und deutete im Sattel eine Verbeugung an. »Und ich danke Euch dafür.« Dann grinste er breit. »Auch wenn ich noch immer

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