Das Erbe des Greifen
nicht weiß, woher Ihr und die Sera Meliande Euch kennt.«
Zu Garrets Überraschung schmunzelte die Bardin und zwinkerte ihm zu.
»Das könnt Ihr sie selbst fragen«, sagte sie mit einem Lächeln. Dann sah sie nach vorne, zum Tor. Lang war die Schlange der Wartenden nicht mehr, bald würden sie das Tor passieren, unter den eindringlichen Blicken der Wachen. Ihr Lächeln verschwand schlagartig aus ihrem Gesicht.
»Wir haben ein Problem«, sagte sie. Vor dem Tor stand ein Wachhaus, aus dem soeben ein schlanker junger Mann in einer dunklen Kutte hervorgetreten war. Einer der Bauern in der vordersten Reihe, etwas älter und hager, einfach gekleidet und mit einem Strohhut auf dem Kopf, sah verständnislos auf, als der Mann in der Robe zwei der ihn begleitenden Soldaten ein Zeichen gab. Sie reagierten sofort, traten an den Mann heran und warfen ihn brutal zu Boden. Ohne Rücksicht auf sein Schamgefühl zu nehmen, rissen sie dem Unglücklichen die Kleider vom Leibe und drückten ihn mit den harten Sohlen ihrer Stiefel in den Staub. Der Mann in der Robe musterte den Bauern genauer, wandte sich dann mit einer nachlässigen Geste ab, und trat zurück ins Wachhaus.
Die Soldaten ließen den verängstigten Mann los, der hastig seine Kleider zusammenraffte und die Flucht ergriff. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, sich die einfache Kutte überzuwerfen.
Einer der Umstehenden, seiner Kleidung nach ein Händler, sagte etwas, worauf sich einer der Soldaten umdrehte und dem Händler mit seiner gepanzerten Faust ins Gesicht schlug. Der Getroffene taumelte mit blutiger Nase zurück, und auch die restlichen Wartenden machten dem Soldaten ängstlich Platz. Dieser lachte nur und winkte die Leute mit einer herablassenden Geste davon.
»Ich mag diese Stadtwachen nicht«, stellte Garret fest.
»Das sind Soldaten Beliors«, korrigierte ihn Tarlon. »Hast du ihre Uniformen nicht erkannt? Sie scheinen jemanden zu suchen, und dabei sind sie ziemlich rücksichtslos.«
»Das ist jetzt nicht unser größtes Problem«, raunte die Bardin und zog sich die Kapuze über den Kopf. »Der Mann in der dunklen Robe ist ein Priester Darkoths.«
»Von denen habe ich gehört. Sind sie es nicht, die Belior beraten?«, fragte Tarlon. »Als man uns in der Börse gefangen hielt, sprachen dort Graf Lindors Soldaten von ihnen. Allerdings in wenig schmeichelhaftem Ton, wenn ich mich recht entsinne. Aber Darkoths Priester kennen uns nicht, warum meint Ihr, sie seien ein Problem für uns?«
»Da die älteren Rassen ihm stets widerstanden haben, fordert der dunkle Gott von seinen Gläubigen auch die Vernichtung der Elfen, was sich mit Beliors erklärtem Ziel deckt, die Nationen meines Volkes zu zerstören. Normalerweise kann ich mich unerkannt zwischen Menschen bewegen, nur Darkoth und seine Priester haben die Fähigkeit, mich zu erkennen.«
»Wie ist das möglich?«, fragte Garret. »Das Einzige, woran sie Euch erkennen könnten, wäre Eure Schönheit.«
Unwillkürlich musste die Bardin schmunzeln.
»Wenn es nur das wäre, sähe ich keine Schwierigkeiten«, meinte sie dann leise. »Doch Darkoth verleiht seinen Priestern die Fähigkeit, Feinde ihres Glaubens zu erkennen. Er hat ein langes Gedächtnis und erinnert sich all derer, die ihm zu schaden versuchten.« Sie sah Tarlon an. »Vielleicht solltet Ihr allein vorausreiten, um die Lage zu erkunden, während ich mir einen anderen Weg in die Stadt suche.«
»Ich lasse Euch nicht allein«, sagte Garret bestimmt.
»Warum nicht?«, fragte sie überrascht. »Ich habe in solchen Dingen gewiss mehr Erfahrung als Ihr.«
»Darum geht es nicht«, warf Tarlon ein. »Wir haben den Auftrag erhalten, Euch sicher auf das Schiff zu bringen, und jeder verlässt sich nun auf uns. Nicht auszudenken, wenn Euch etwas geschehen würde … Sera, warum besteht diese Feindschaft zwischen Darkoth und den Elfen eigentlich?«
»Seine Anhänger glauben, dass wir Elfen durch unsere lange Lebensspanne mehr Lebenskraft besitzen. Deshalb opfern sie uns gerne ihrem dunklen Gott und hoffen, so seine Macht zu stärken. Es ist eine Schande, dass diese Schlange ihr Haupt wieder erhebt.«
»Wie ist es dazu gekommen?«, fragte Garret leise, während sie langsam näher an das Tor heranritten.
»Jahrhundertelang hörte man wenig von den dunklen Priestern. Es ist nur diesem Belior zu verdanken, dass sie erneut die Welt verpesten!«, antwortete die Bardin hart.
»Doch was können wir nun noch tun? Wenn wir umdrehen und davonreiten, ziehen wir
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