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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl A. DeWitt
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sah Pulver mit fragendem Blick an.
    »Ihr seid nicht verdreht oder verdorben. Ihr seid nur anders, aber in diesem Anderssein liegt Perfektion«, erklärte Pulver. Er sah zu Barius, der den Schreckenswolf ebenfalls intensiv musterte.
    »Ich verstehe, was Ihr meint, Meister Pulver«, sprach der Priester schließlich. »Er gehört einer anderen Schöpfung an, aber der Götter Atem ist in ihm zu erkennen.«
    »Sprecht nicht über ihn, sondern mit ihm«, sagte Lenise lächelnd, während auch sie aus dem Schatten des dichten Unterholzes hervortrat. Sie hielt ihnen einen Wasserbeutel hin. »Ich habe Wasser geholt, ihr müsst durstig sein.«
    Pulver zog scharf den Atem ein. »Götter!«, entfuhr es ihm. »Nicht das!«
    »Vater!«, rief Astrak empört.
    Lenises Gesicht verdüsterte sich. »Es tut mir leid, wenn mein Anblick Euch erschreckt hat«, sagte sie mit belegter Stimme. Dann wandte sie sich Astrak zu. »Ich glaube, es war ein Fehler.« Sie ließ den Wasserbeutel sinken und wandte sich zum Gehen.
    »Lenise, warte, bitte!«, rief Astrak und warf seinem Vater einen bösen Blick zu. »Sie sind nur überrascht, mehr nicht!«
    »Bitte bleibt, Sera«, sagte nun auch Pulver. »Es ist nicht so, wie Ihr denkt. Mein Sohn hat mir von Euch erzählt, und ich freue mich, Euch zu sehen. Was mich erschreckte, war der Beutel Wasser. In unseren Legenden wird davor gewarnt, das Wasser von Alt Lytar zu trinken. Es heißt, es bringe den Tod … oder Schlimmeres.«
    Lenise hob ihr Haupt und sah Pulver an, dann nickte sie.
    »Dieses Wasser nicht«, erklärte sie mit weicher Stimme. »Es stammt aus Mistrals heiliger Quelle. Es lässt Wunden schneller heilen, kuriert Vergiftungen und lindert die Folgen der Verderbnis. Ihr könnt es unbesorgt trinken, ich schwöre es bei meiner Seele.«
    »Dann danke ich Euch sehr«, lächelte Pulver. »Denn ich bin tatsächlich kurz vorm Verdursten.«
    Er griff nach dem Schlauch, setze ihn an und nahm einige tiefe Schlucke. Dann wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab und reichte den Schlauch an Astrak weiter.
    Lenise nickte, als habe sich für sie etwas bestätigt. Sie wandte sich an den Sergeanten Delos und seine Leute.
    »Es ist schon Nacht, Sers. Ich kann Euch nicht empfehlen, heute noch den Weg zurück zu Eurem Lager anzutreten. Noch ist es unsicher dort draußen. Schließt das Tor zum Tempelgarten, dann seid Ihr sicher vor Gefahr, denn dieser Garten steht unter dem Schutz der Göttin!«
    Delos hatte offensichtlich Schwierigkeiten, ihr ins augenlose Angesicht zu schauen, aber er nickte und verbeugte sich tief vor der jungen Frau.
    »Wir werden das Tor schließen, Sera. Aber sagt mir bitte, hat dieses Wasser wirklich heilende Kräfte?«
    »Ja«, erklärte die junge Frau. »Warum fragt Ihr, Sergeant?«
    »Weil in dieser verfluchten Stadt bereits ein kleiner Kratzer zum Tod führen kann, und wenn es etwas gibt, was dagegen hilft …«
    »Trinkt«, unterbrach sie ihn und reichte ihm den Wasserschlauch. Er nahm den Beutel mit einer tiefen Verbeugung in Empfang.
    »Entschuldigt, Sera«, meldete sich Pulver zu Wort, der Lenise die ganze Zeit über beobachtet hatte, »ich will nicht unhöflich sein, aber Ihr kommt mir nicht vor wie jemand, der kein Augenlicht besitzt, Eure Bewegungen sind sehr sicher. Wie kann das sein?«
    »Lenise macht es so wie Ariel. Sie sieht durch Troks Augen«, erklärte Astrak eifrig, doch Lenise schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Jetzt weiß ich, woher Ser Astrak seine Neugier hat«, sagte sie lachend. »Durch Troks Augen sehen? Nein, das wäre ein zu großes Wunder. Ich kann selbst sehen. Nur eben … anders.« Sie zuckte die Schultern. »Ich kann es nur schwer beschreiben. Ich spüre meine Umgebung, ja, das trifft es wohl am besten.« Sie wandte sich Astrak zu. »Auch deshalb wollte ich nicht geheilt werden. Ich sehe unbekannte Dinge, und manchmal auch Geschehnisse, die in der Zukunft liegen.« Sie senkte verlegen den Kopf. »Ihr müsst verstehen, dass ich es nicht als etwas empfinde, das geheilt werden müsste«, fuhr sie dann leise fort. »In Wirklichkeit habe ich Angst davor, blind zu werden, wenn man mir das Augenlicht schenkt.« Sie hob den Kopf wieder. »Aber ich will auch nicht mehr anders sein als andere!«
    »Ein verständlicher Wunsch«, murmelte Pulver und erntete dafür einen weiteren erzürnten Blick seines Sohns.
    »Mir gefallt Ihr so, wie Ihr seid!«, beteuerte Astrak, und Lenise lächelte. »Danke«, sagte sie leise und wandte sich dem Priester zu. »Seid uns

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