Das Erbe des Greifen
wahr?«, seufzte die Bardin. »Nun gut. Ich gestehe meine Fehler ein. Ihr habt Recht, es ist ungerecht, alle auf Grund einiger weniger zu verurteilen. Ja, Vanessa, um Eure Frage vorweg zu nehmen, es gab gute Menschen in Lytar. Nur wurden sie von der Machtbesessenheit weniger in den Hintergrund gedrängt.«
»Ich würde gerne Eure eigene Gesichte hören«, äußerte Vanessa vorsichtig. »Mir scheint es wichtig zu wissen, was wirklich geschah, wo Ihr damals standet und wo Ihr heute steht.«
Die Züge der Bardin verhärteten sich.
»Meine Geschichte geht niemanden etwas an«, gab sie knapp zurück.
»Das mag sein«, entgegnete Vanessa leise. »Aber ich denke, dass es an der Zeit ist, zu erfahren, was einst zum Kataklysmus führte. Ich … ich meine, Sera, jeder weiß, dass die Göttin es für notwendig erachtete, die Menschen von Lytar zu strafen, und dass die Strafe prophezeit und angekündigt wurde. Doch was genau ist damals geschehen, dass der Prinz es gewagt hat, sich gegen die Göttin und jedes Recht zu erheben? All das muss doch einen Grund gehabt haben!«
»Der Prinz ließ die Priesterinnen Mistrals erschlagen. Und als die letzte von ihnen starb, nahm das Schicksal seinen Lauf. Das ist geschehen!«
»So viel wissen wir auch«, grummelte Garret. »Nur warum tat der Prinz dies? Wie Vanessa möchte ich den Grund dafür wissen! Nach allem, was man uns berichtet hat, lag Lytar zu dieser Zeit noch nicht einmal im Krieg mit einem anderen Land!«
»Da habt Ihr recht. Nur mit sich selbst lag die Stadt im Zwist.« Die Augen der Bardin waren unergründlich, ihre Stimme hart, als sie weitersprach. »Neid, Missgunst, Habsucht, Machtgier, Liebe und Verrat brachten die alte Stadt zu Fall. Kein Gegner wäre dazu mächtig genug gewesen. Nur Lytar selbst besaß die Kraft, sich zu zerstören!«
»Nur wie!?«, fragte Garret aufgebracht. »Wie sollen wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, wenn wir nicht wissen, welche Fehler gemacht wurden? Erklärt es uns, zeigt es uns auf, ich bitte Euch, Sera!«
»Fragt Elyra, Garret«, gab die Bardin in einem Ton zurück, der deutlich machte, dass sie hierzu nichts weiter sagen würde. »Sie ist die Priesterin eurer Göttin. Es ist ihre Aufgabe, euch zu leiten. Wenn ihr wissen wollt, was geschah, fragt sie.«
»Woher soll Elyra das wissen?«, fragte Garret überrascht. »Habt Ihr denn mit ihr darüber gesprochen?«
»Nein«, antwortete die Bardin und trieb ihr Pferd voran. »Aber sie wird die Antworten im Tempel der Mistral finden. Alles, was einst war, ist dort aufgeschrieben und verwahrt worden …« Sie warf Garret einen letzten Blick zu und sah dann zu Tarlon hinüber. »Ob sie jedoch auch dazu bereit ist, euch zu erzählen, was damals geschah, ist allein ihre Entscheidung.«
Garret öffnete den Mund, aber die Bardin hob abwehrend ihre Hand.
»Garret Grauvogel«, sagte sie, mit einem nicht unfreundlichen Lächeln. »Ich habe Euch schon mehr als genug Rede und Antwort gestanden. Ich bitte euch alle, lasst es jetzt gut sein. Zumindest für den Moment.«
Garret zögerte kurz, deutete dann aber eine Verbeugung im Sattel an.
»Wenn Ihr es so wünscht, Sera«, lächelte er. »Für heute ist es wahrlich genug und das Wetter einfach zu schön für solch ein ernsthaftes Gespräch!«
Plötzlich lachte die Bardin. »Wie Quecksilber«, erklärte sie, als Antwort auf die fragenden Blicke der anderen. »Der Erste Lord war genauso …! Stur in einem Moment, lachend im anderen. Ich sage es doch, ihr Menschen habt eure eigene Form der Unsterblichkeit!«
Vanessa schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, es verhält sich anders«, meinte sie dann. »Vielleicht ist es ja eher so, dass wir uns nur immer wieder neu erschaffen.«
»Das ist ein schöner Gedanke«, unterbrach Lamar an dieser Stelle die Geschichte. »Sagt, gibt es denn noch Elfen?«
»Oh, ich denke schon, dass es sie noch gibt, Ser. Irgendwo werden sie sicher noch sein!« Mit diesen Worten schob der alte Mann seinen Stuhl zurück und stand auf. »Ihr müsst mich entschuldigen, ich fühle mich vom Wein getrieben«, meinte er dann und machte sich auf den Weg nach draußen. Lamar sah ihm nach, und als der Wirt kam, berührte er diesen leicht am Ärmel.
»Sagt, guter Mann, wisst Ihr, wer der alte Mann ist?«
»Oh ja, ich weiß es!«, lachte der Wirt. »Ich habe ihn, als er kam, zuerst nur nicht erkannt, so wie er gekleidet ist.«
»Dann sagt mir, wer er ist. Wenn ich ihn danach frage, weicht er mir nur aus.«
»Ihr werdet es
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