Das Erbe des Vaters
kam.
Sein dunkler Blick hielt sie fest. » Sie! « zischte er. »Was zur Hölle haben Sie hier zu suchen?«
Sie hatte heftiges Herzklopfen, aber sie entgegnete ruhig: »Ich wollte Mrs. Plummer fragen, ob sie etwas braucht.«
Er trat dicht – zu dicht – vor sie hin und stützte sich mit den Händen rechts und links von ihr gegen die Wand, so daß sie eingeschlossen war. »Von Ihnen nicht«, sagte er und lächelte. »Wir haben uns gerade einen kleinen Versöhnungstrunk gegönnt, Mirabel und ich. Und nachher gehen wir zusammen essen. Und ich glaube nicht«, fügte er derb hinzu, »daß ihr heute nacht in ihrem Bett kalt sein wird. Sie brauchen weder Wärmflasche noch heiße Schokolade zu bringen.«
Die Gehässigkeit in seinem Blick erschreckte Romy. Sein Gesicht war erhitzt von selbstzufriedener Genugtuung. Sie konnte sein Toilettenwasser riechen.
Endlich stemmte er sich von der Wand ab und richtete sich auf. »Sie kommt immer zu mir zurück«, sagte er leise und triumphierend. »Sie liebt mich. Vergessen Sie das nicht, Romy. Sie kommt immer zu mir zurück.« Als er sich zum Gehen wandte, drohte er ihr mit erhobenem Finger. »Ich würde Ihnen raten, schön vorsichtig zu sein.«
Damit ging er. Sie brauchte einen Moment, um sich zu fassen, um sich von seinem Geruch und seiner Stimme zu befreien. Ich würde Ihnen raten, schön vorsichtig zu sein . Was hatte er damit gemeint? Was hatte er vor? Wollte er Mrs. Plummer erzählen, daß sie ihm ihren Drink ins Gesicht geschüttet hatte? Würde Mrs. Plummer ihr dann kündigen? Würde Johnnie Fitzgerald die Macht, die er über Mrs. Plummer besaß, dazu benutzen, ihr die Arbeit, die Sicherheit und das Zuhause zu nehmen?
Ihr war plötzlich angst, und sie fühlte sich sehr allein. Sie wußte, daß sie sich einen Feind gemacht hatte. Sie hatte ein Gefühl, als wäre etwas entschieden worden, das nicht mehr rückgängig zu machen war. Eine schlimme Vorahnung quälte sie, die sie einfach nicht abschütteln konnte. Wenn es möglich gewesen wäre, die Zeit zurückzudrehen, so hätte sie es getan und diesmal nicht zu dem Glas gegriffen, um seinen Inhalt Johnnie Fitzgerald in das arrogante Gesicht zu schütten. Sie fürchtete, daß dies von allen Fehlern, die sie im Lauf der Jahre gemacht hatte, der schlimmste war. Es wäre klüger gewesen, diplomatisch zu sein und seiner Eitelkeit zu schmeicheln. Was in Johnnie Fitzgeralds Augen gestanden hatte, war unmißverständlich. Haß war nicht schwer zu lesen.
Am Samstag nachmittag ging Romy mit Jem in dem Park in der Nähe seines Zimmers in Blackfriars spazieren. Der Hund watete im Teich umher, und die Enten schnappten nach den Brotrinden, die Jem ihnen ins Wasser warf. Jem ging schnell, den Kopf gesenkt, die Schultern hochgezogen. Ein leichter Wind bewegte die Blätter in den Bäumen und wirbelte auf dem Kinderspielplatz den Sand auf.
Jem sprach über Liz. »Ich liebe sie«, sagte er. »Ich bin verrückt nach ihr, Romy. Sie war schon einmal mit einem anderen verlobt. Ray Babbs.« Er hob einen Stein auf und warf ihn ins Wasser. »Sie hat es mir erst vor zwei Tagen gesagt. Sie hatte Angst, ich würde ihr böse sein. Aber das könnte ich gar nicht, Romy. Ich könnte ihr nie böse sein.«
»Jem, wenn du weiter so rennst, bekomme ich Seitenstechen«, sagte sie. »Komm, setzen wir uns.«
Sie setzen sich ins dünne Gras unter den Kastanien. Kleine Blüten lösten sich aus den Kerzen und schwebten abwärts wie Schneeflocken.
»Ray war die letzten zwei Jahre beim Militär«, erzählte Jem. »Liz war praktisch noch ein Kind, als sie mit ihm zusammen war – sie war erst fünfzehn. Sie hat mir erzählt, daß er ziemlich jähzornig war.« Er sah Romy an. »Es war keine richtige Verlobung. Er hat ihr keinen richtigen Ring geschenkt – nur so ein billiges Ding aus einem Trödelladen. Als er zum Militär mußte, hat sie gedacht, er würde sie vergessen, vielleicht eine andere finden. Sie hatte über ein Jahr lang nichts mehr von ihm gehört.« Jem hatte sein Taschenmesser herausgezogen und schnitzte an einem Stock herum.
»Und jetzt ist er – dieser Ray – vom Militär zurück?«
»Ja, seit ein paar Wochen.« Helle Holzspäne fielen unter Jems Messer zu Boden. Jem sah sie wieder an. »Ray ist ein grober Kerl. Er hat sie geschlagen, dieses Schwein. So ein ähnlicher Typ wie Dennis.«
»Hat Liz ihm von dir erzählt?«
»Sie hat’s versucht. Er ist gleich wütend geworden und hat gesagt, sie muß mit mir Schluß machen.«
Romy machte
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