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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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sich auf die Lippe.
    Mrs. Plummer legte den Füller aus der Hand. »Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihnen schon früher einmal gesagt, daß mich so leicht nichts schockieren kann, Romy. Was immer Sie für Sorgen haben, Sie können sich darauf verlassen, daß ich schon Schlimmeres erlebt habe.« Sie nahm Zigaretten und Feuerzeug aus ihrer Handtasche. »Das Hotel ist mir das Wichtigste, das wissen Sie. Wenn Ihre Probleme Sie bei der Erledigung Ihrer Arbeit behindern, dann muß ich das wissen.«
    Also erzählte sie Mrs. Plummer Jems Geschichte. Sie fühlte sich klein und gedemütigt, als wäre sie durch die Ereignisse des Wochenendes in das Chaos ihrer Kindheit zurückgerissen worden. Aber als sie endete, sagte Mrs. Plummer nur: »Geben Sie mir auf jeden Fall vorher Bescheid, wenn Sie sich freinehmen müssen. Sie können die Zeit abends und am Wochenende nachholen. Und ich werde selbstverständlich den Mund halten, Romy. Das Personal braucht von der Geschichte nichts zu erfahren. Wir sagen einfach, es geht Ihrer Mutter nicht gut, ja? Eine kleine Operation … Krankenhausbesuche und dergleichen. In Ordnung?«
    An diesem Abend fuhr Romy nach Blackfriars, um in dem kleinen Reihenhaus der Familie Morris mit Liz zu sprechen. Liz, sagte sie sich, würde der Polizei sagen können, was für ein Mensch Ray Babbs wirklich war: gewalttätig, einer, von dem zu erwarten war, daß er schnell Streit anfing.
    Liz war verstört, beinahe hysterisch. Das elfenhaft Strahlende, das Jem einmal veranlaßt hatte, sie anzusprechen, war erloschen. Obwohl von ihrer Schwangerschaft noch nichts zu sehen war, wirkte sie abgezehrt und krank.
    »Jem hätte sich nie auf einen Streit mit Ray einlassen dürfen«, sagte sie unter Tränen. »Jetzt ist es passiert – Ray stirbt, und dann wird Jem gehängt.«
    Romy hätte ihr am liebsten eine runtergehauen, aber es gelang ihr, sich statt dessen einige tröstende Worte abzuringen und dem Mädchen ein Taschentuch zu reichen. »Aber du sagst doch der Polizei, wie Ray wirklich ist, nicht wahr? Du sagst ihnen, daß er dich früher geschlagen hat?«
    Liz nuschelte etwas Unverständliches.
    »Liz?« sagte Romy. »Versprich mir, daß du das tun wirst.«
    Liz wandte sich ab. »Ich geh nicht zur Polizei«, murmelte sie. »Du weißt ja nicht, was du von mir verlangst. Ich hänge niemanden hin.«
    »Aber Liz, du mußt –«
    »Ich muß gar nichts.« Trotzig hob Liz den Kopf. »Du bist genau wie alle anderen. Jeder sagt mir, mach dies, mach das. Du hast ja keine Ahnung, wie es ist. Rays Mutter ist mit meiner Mutter befreundet. Sie sind beste Freundinnen. Schon seit Ray und ich auf die Welt gekommen sind. Die würden mich umbringen, wenn ich was Schlechtes über Ray sage.« Sie krampfte ihre Hände ineinander. »Du hast keine Ahnung, wie es für mich ist«, wiederholte sie. »Dauernd ist mir schlecht, und meine Mutter ist wütend wegen dem Kind und sagt, sie schmeißt mich raus, wenn Jem mich nicht heiratet. Und dabei hatte ich mir schon den Schnitt für mein Hochzeitskleid ausgesucht.« Sie begann wieder zu weinen. »Und jetzt steh ich mutterseelenalleine da. Und auf der Straße glotzen mich alle an und zerreißen sich das Maul über mich.«
    Von ihren Freunden weihte Romy nur Caleb und Jake in die Sache ein. Sie wußte, daß Jake, der normalerweise den Klatsch liebte, niemandem von Jems Inhaftierung erzählen würde. Was Caleb anging, so wußte sie nicht, wie sie ohne ihn zurechtgekommen wäre. Caleb fuhr sie nach Stratton, damit sie mit ihrer Mutter sprechen konnte. Sie hätte es nicht über sich gebracht, ihr diese schreckliche Mitteilung am Telefon zu machen. Caleb hatte einige Monate zuvor die Gestaltung eines Gartens in der Nähe von Newbury übernommen, nur ein Katzensprung nach Stratton, wie er sagte. Er würde sie im Wagen hinbringen, und sie könne dann mit dem Zug zurückfahren.
    Er wartete im Lieferwagen, während Romy mit ihrer Mutter sprach. Danach hockte sie, von der Erinnerung an das Gesicht ihrer Mutter gemartert, zusammengekauert auf dem Beifahrersitz und starrte zum Fenster hinaus, während Caleb zum Bahnhof fuhr. Er sprach mit ihr über kleine, unwichtige Dinge, und nach einiger Zeit begann der Klang seiner Stimme sie zu beruhigen.
    Während der Arbeiten an dem Garten in Newbury blieb Caleb häufig über Nacht bei seiner Mutter in Middlemere. Er und Romy trafen eine Vereinbarung: Jeden Abend würde er Punkt sieben in der Telefonzelle von Swanton St. Michael sein. An manchen Abenden

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